fand es sogar sehr richtig u. lobte sie, da es doch in der Tat die Pflicht einer Mutter sei, ihre Kinder im Glauben zu erziehen. Martha aber wurde sofort mißtrauisch, sagte nichts, aber verließ das Zimmer. – Sie hat also wieder einmal mit ihrem Gefühl recht gehabt. Frau K. ist selbst eine harmlose Person, die sehr stolz darauf ist, daß sie hier im Dorfe mit allen Leuten auf freundschaftlichem Fuße steht. So auch mit dem Ehepaar Dross, bei dem sie sogar besonders freundschaftlich verkehrt. Dort hat sie natürlich die Sache erzählt, ohne zu ahnen, was dieser Dr. Dross für ein hinterhältiger u. gesinnungsloser Patron ist. –
An Erich Seeberg Brief geschrieben über meine Erfahrungen mit dem Tode bei meiner damaligen Schädel-Aufmeißelung infolge Mittelohr-Entzündung, ich glaube im Jahre 1938 (oder 1937?) Diesen Brief schrieb ich am 18. 1. –
Dieser fatale Dr. Dross u. seine Frau laufen uns das Haus ein, um uns zum Kaffee einzuladen. Ich selbst drücke mich in mein Zimmer, wenn dieses Ehepaar kommt u. Martha hat bisher diese Einladung hingezögert. Gestern waren sie wieder da. Martha fand die schöne Ausrede, daß Fritz in Urlaub käme. Natürlich meinten sie, daß das ja besonders schön wäre, dann könne Fritz doch mitkommen. – Die Frau entblödet sich nicht, mißfällige Bemerkungen über Frau Kellner zu sagen, mit der sie doch angeblich befreundet sein will. – Es ist eine widerliche Gesellschaft. –
Gestern Abend waren wir bei der jungen Frau Inge Lehment, Tochter von Dr. Helms. Diese junge Frau ist ein sehr gutherziges Ding, in Rostock ausgebombt, der Mann im Felde. Sie gab sich große Mühe, uns zu bewirten mit 1933er Burgunder selbstgebackenen Plätzchen u. einer sehr guten Art Fruchtbonbons aus Quittensaft, die wundervoll schmeckten.
Mittwoch Abend war endlich Dr. Wessel da u. machte einen Kieferabdruck, sodaß ich hoffen darf, endlich wieder Zähne zu bekommen. – Zum Mittwoch-Abend-Vortrag kommt nun auch Frau Dr. Korsch, die mich gebeten hat, daran teilnehmen zu dürfen.
Von Fritz Nachricht, daß sein Nachfolger erst Ende des Monats aus dem Urlaub kommt u. er deshalb solange warten muß. Da er am 31. Januar sich bei der neuen Einheit melden muß, ist zu fürchten, daß ihm dadurch der Urlaub entgeht. Er hatte schon alles gepackt, um selbst in Urlaub zu fahren u. wir hofften, daß er heute schon hier sein würde, – nun aber ist alles fraglich.
Man hört jetzt viel von Scharlach u. neuerdings von Diphterie. Ein Kind ist gestorben u. wurde gestern begraben. Bei den vielen Kindern der ausgebombten Familien, die hier sind, u. bei dem Mangel an ärztlicher Hilfe u. bei den schlechten Verbindungen, ist das eine ernste Gefahr. –
Bei unserer Batterie sind, wie ich höre, einige Infanterie-Unteroffiziere eingetroffen, welche die Batterie-Unteroffiziere infanteristisch ausbilden sollen, u. diese sollen dann die Mannschaften ausbilden, damit im Falle einer Invasion die Batterie als Infanteristen eingesetzt werden können. Wenn wir einer Invasion nichts Besseres entgegenzustellen haben, dann sind das trübe Aussichten. Es heißt aber, daß aus dem Osten viele junge Soldaten herausgezogen werden u. für den Westen neue Formationen zusammengestellt werden; aber wir können uns so schon der Uebermacht der Russen nicht erwehren. Diese greifen jetzt auch im Norden an, Nowgorod haben wir bereits verloren. – Zwischen Stalin u. der polnischen Exilregierung in London sind die seit langem bestehenden Differenzen sehr gewachsen u. haben sich zugespitzt. Alles ist sehr undurchsichtig.
Hans Brass: TBHB 1944-01-21. , 1944, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-01-21_001.jpg&oldid=- (Version vom 16.7.2024)