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Seite:HansBrassTagebuch 1943-11-24 001.jpg

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Mittwoch, 24. November 1943.     

     Heute sollte eigentlich Jens Wegscheider wieder nachhause fahren. Alles war vorbereitet, Frau Monheim, die ebenfalls fahren wollte, sollte ihn mitnehmen. Da wurde gestern früh im Radio durchgegeben, daß am Abend vorher, also am Montag Abend, ein Angriff auf Berlin gewesen wäre. Da solche Angriffe vom Abend vorher sonst niemals in den Frühnachrichten erwähnt werden, schlossen wir daraus, daß es sehr schlimm gewesen sein muß. Gestern im Laufe des Tages kamen dann spärliche Nachrichten durch. Herr Monheim telegraphierte per Blitz an seine Frau, sie solle nicht kommen, wennschon bei ihm nichts passiert sei. So behielten wir auch Jens hier, der die Enttäuschung recht tapfer trägt. Er ist überhaupt ein sehr lieber Junge, im Religionsunterricht sehr aufmerksam u. sehr interessiert, sodaß es mir leid tut, ihn als Schüler wieder zu verlieren.

     Ueber den Angriff habe ich gehört, daß derselbe am Montag Abend um 8 Uhr begann u. bis kurz nach 1/2 9 Uhr gedauert hat. In dieser halben Stunde haben die Englänger 2.300.000 kg. Bomben auf Berlin abgeworfen, eine ungeheure Menge. Zwanzig Minuten nach dem Angriff soll sich in Bln. eine Explosion ereignet haben von gewaltiger Wucht. Man sagt, es sei der schwerste Angriff gewesen, den Berlin bisher erlebt hat, sonst aber weiß ich nichts, außer, daß es die Gegend des Kurfürstendamm sehr stark betroffen haben soll. Ich wüßte aber nicht, wo dort Ursache zu einer Riesen-Explosion sein sollte, es werden also wohl auch noch andere Gegenden betroffen worden sein.

Donnerstag, 25. November 1943.     

     Aus Berlin kommen nur spärliche Nachrichten. Sicher ist, daß der Stettiner Bahnhof total zerstört ist u. die Züge nach hier nur von Oranienburg ab fahren. Frau Dr. Müller aus Althagen erzählte, daß das Ehepaar Dr. Krappmann, die in Schweinfurt bei den ebenfalls schwer bombengeschädigten Schwiegereltern gewesen waren u. auf dem Rückwege über Berlin mußten, nur mit großen Schwierigkeiten durchgekommen seien. Es sollen auch alle anderen Bahnhöfe zerstört sein, außerdem Görlitzer Bahnhof. Herr Monheim hat mit seiner Frau 2 Minuten telephoniert, es sei der schlimmste Angriff gewesen, den Berlin bisher erlebt habe. Post u. Zeitungen sind aus Berlin nicht angekommen. Am Dienstag Abend ist dann ein neuer Angriff gewesen. –

     Am vorigen Mittwoch nahm Dr. Wessel endlich einen Abdruck meines Oberkiefers. Er wollte an der Prothese, die ich nun schon zehn oder elf Jahre trage, ein Stück anschweißen lassen, da mir in letzter Zeit noch weitere Vorderzähne ausgefallen sind u. wollte die Prothese mit nach Hamburg nehmen, wo es gemacht werden sollte. Am Sonnabend fuhr er nach Hambg. – In der Nacht von Freitag zu Sonnabend brach mir dann aber der linke hintere Backenzahn ab, an dem die ganze Geschichte hängt. Zum Glück konnte ich Dr. W. noch rechtzeitig telephonisch erreichen, um ihm das mitzuteilen. – Er kam gestern u. brachte mir die Prothese wieder zurück. Er sah sich die Geschichte an u. meinte, daß nun nichts weiter übrig bliebe, als die restlichen vier Zähne, die ich im Oberkiefer noch habe, auch noch herauszunehmen u. dann ein ganz neues Stück machen zu lassen. Es wird wohl einige Wochen in Anspruch nehmen.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-11-24. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-11-24_001.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2024)