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Seite:HansBrassTagebuch 1943-11-04 002.jpg

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u. da auch sonst niemand kam, hielt ich meine kleine Predigt zum nachgeholten Allerheiligenfest nur vor Martha u. vor Trude. Es fehlt doch sehr, wenn man keine Zuhörer hat.

     Von Hildegard Wegscheider bekamen wir einen überaus herzlichen Dankesbrief für das, was wir an ihrem Enkel Jens tun. Dieser Brief beschämte uns, denn so viel ist es ja garnicht.

     Gestern Vormittag Besuch von Frau Smith, die nun erfahren hatte, daß ich inzwischen mit dem Konvertiten-Unterricht an Marianne Clemens u. ihre Mutter begonnen habe. Sie glaubte nun wohl, den Mangel an Eifer bisher wieder gut machen zu müssen u. entschuldigte sich mit allerhand Dingen. Sie brachte ein Körbchen mit einigen Aepfeln, Tomaten u. Blumen mit u. bat, nun auch Unterricht zu bekommen. Leider kann sie aber wegen ihrer Kurzsichtigkeit Abends nicht kommen sie fürchtet den Weg in der Dunkelheit, was wohl auch zu verstehen ist. Es bleibt also nichts weiter übrig, als noch einen zweiten Unterricht zu veranstalten. Sie will nun jeden Dienstag um 11 Uhr erscheinen. –

     Heute Nachmittag wollen Krappmanns kommen, um über die Wiederaufnahme des Religionsunterrichtes mit mir zu sprechen. Es muß das sehr vorsichtig geschehen u. ich werde nur noch die drei Jungens Jens, Lothar Krappmann u. den kleinen Reinhard Clemens zulassen, damit möglichst nicht neues Geklatsche entsteht. – Vielleicht fange ich morgen wieder an.

     Die Moskauer Konferenz hat anscheinend unter den vereinten Nationen einen neuen Auftrieb verursacht. Man will nun diesen Krieg zu einem raschen Ende bringen. Stalin hat eine Rede gehalten, in der er von der zweiten Front gesprochen hat. Er hat von der Front in Italien gesprochen u. hat von ihr gesagt, daß sie zwar keine zweite Front sei, aber doch wenigstens etwas Aehnliches. Fortfahrend hat er dann gesagt, daß die zweite Front Deutschland erledigen würde. Er sagte damit also, daß eine solche Erledigung Deutschlands von Italien her nicht zu erwarten sei, daß das aber durch eine zweite Front von Westen her geschehen würde. Da man von einer raschen Beendigung des Krieges gesprochen hat, ergibt sich, daß die Invasion von Westen her nun wirklich beschlossene Sache ist, zumal Churchill selbst vor einigen Wochen sagte, daß er die Front in Italien nicht als zweite Front betrachte. – Vor einigen Tagen wurde von unserer Seite gesagt, daß das Gebiet von Skagerak für die freie Durchfahrt Schwedens gesperrt worden sei. Ich nehme darum an, daß die Engländer wie im ersten Weltkriege den Plan haben, von dort her die Einfahrt in die Ostsee zu erzwingen. Damals scheiterte dieser Pan durch die Seeschlacht von Skagerak, doch dürften heute die Voraussetzungen dafür eher gegeben sein. Eine Landung in Dänemark müßte wohl möglich sein. Solche Landungsmanöver sind in diesem Kriege ja schon oft durchgeführt worden u. es hat sich gezeigt, daß sie heute bei der starken Luftunterstützung nicht mehr gar so schwierig sind. Erst jetzt eben erst haben die Russen das wieder bewiesen, indem sie bei Kertsch gelandet sind u. indem es uns nicht gelungen ist, eine Landung zu verhindern. Nachdem die Russen die Krim im Norden abgeriegelt u. das ganze linke Dnjeprufer bis zur Mündung besetzt haben, bahnen sich dort böse Sachen an. Zwar ist es uns gelungen, die drohende Einkesselung von Krivoi Rog her zu verhindern; aber das scheint mir nur ein Augenblicks-Erfolg zu sein, der keine Dauer haben wird, nachdem von den Armeen Mansteins nicht mehr allzuviel übrig geblieben sein dürfte. Daß wir diese Armeen besonders bei Krivoi-Rog auf Kosten anderer Frontstellen verstärkt haben, scheint

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Hans Brass: TBHB 1943-11-07. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-11-04_002.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2024)