Margrets Schwester Christa Schmitthals am Nachmittag kommen würde, um Margrets Sachen zu holen. Sie hatte zuerst bei Frau Prof. Marie Seeberg angefragt, ob sie dort wohnen könne. Nachdem ihr das abgelehnt worden war, fragte sie dasselbe bei Erich Seeberg mit demselben Erfolg. Sie wohnt nun, so viel ich weiß, bei Frau Garthe. Heute Mittag rief sie bei uns an u. meldete sich für 3 Uhr an. Martha ging rüber in's kleine Haus u. hat ihr das Notwendigste gesagt, sonst aber jede Unterhaltung abgelehnt. Ich habe sie nicht gesprochen, doch wird sie wohl noch 3 – 4 Tage hier bleiben.
Nachmittags waren Herr u. Frau Söhlke zum Tee bei uns. Diese sonst sehr gleichgültigen, uninteressanten Leute geben sich große Mühe um uns. – Mittags an Klaus geschrieben u. ihm über seine Frau u. deren Besuch berichtet. –
Von Dr. Krappmann bekam ich ein Buch von Jacques Bainville: Geschichte zweier Völker, geliehen. Es hat mich ungemein interessiert, da es alle meine Gedanken über die Politik Deutschlands seit Friedrich d. Gr. u. schon früher, besonders über Bismarck, enthält, dieselben aber sehr klar u. wissenschaftlich unterbaut, wozu ich mangels genügender Kenntnisse nicht in der Lage bin. Um so mehr hat mich die Lektüre erfreut.
Gestern Abend der erste richtige Kovertiten-Unterricht: Frau Dr. Ziel u. ihre Tochter Marianne Clemens. Martha nahm daran teil. Es ging ausgezeichnet, alle waren sehr befriedigt. Ob je eine Konversion daraus werden wird, ist zwar unwahrscheinlich, aber Gottes Sache. –
Freitag abend waren wir bei Frau Monheim, die Geburtstag hatte u. ganz allein in ihrem Hause saß, d.h. ohne ihre Tochter Ingrid, die z. Zt. in Berlin beim Vater ist, solange die Schwester Helene, die in Abwesenheit von Frau M. den Haushalt dort führt, auf Urlaub ist. Hier bei Frau M. sind nur ihre beiden Jungens Berni u. Herbert. Dieser letztere ist an einer Grippe kank. Außerdem hat sie noch ein Hausmädchen, welches sich aber die Füße verbrüht hat u. daher z. Zt. ziemlich arbeitsunfähig ist. – Der Abend brachte es mit sich, daß Frau M., – von mir etwas gezwungen, von Ingrid sprach. Dieses arme Mädchen, die, wie ich jetzt hörte, 20 Jahre alt ist, – ich hatte sie bisher für 17 – 18 Jahre gehalten – ist auf dem Parkett im Hause ausgeglitten, als sie 4 Jahre alt war. Dabei hat sie sich die Hüfte gebrochen. Niemand ist zunächst auf einen solchen Gedanken gekommen. Dadurch ist der Bruch schlecht verheilt u. daher rührt die Verkürzung des Beines. Das arme Kind hat 10 Jahre lang im Bett liegen müssen. Man hat ihr diese qualvollen Streckverbände gemacht wie ich sie nach meinem Autounfall erleben mußte, u. die Gipsverbände bis an die Hüften hinauf. Auch diese Qual habe ich erlebt. Aber bei ihr hat das alles 10 Jahre gedauert u. es hat dazu eine Rückgratverkrümmung u. sonstige Folgen gegeben. Dabei hat das Kind nicht einen Tag in einer Klinik gelegen, sondern ist immer von der Mutter u. dieser Schw. Helene betreut worden. Es muß eine große Qual gewesen sein u. die Mutter sprach mit bebender Stimme davon. Da sie sonst niemals darüber spricht, war dieses Gespräch eine neue innige Verbindung zwischen uns u. dieser prächtigen Frau, die dieses Erleben in tiefem religiösem Gefühl durchlebt. – Leider konnte sie wegen Herberts Erkankung u. der noch nicht vollen Arbeitsfähigkeit ihres Mädchens auch heute noch nicht an unserer Andacht teilnehmen
Hans Brass: TBHB 1943-10-31. , 1943, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-11-04_001.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2024)