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Seite:HansBrassTagebuch 1943-09-22 001.jpg

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schießen mußte, aber wegen Nebels nicht schießen konnte. Da während der Andacht das Wetter aufklarte, wurde er leider telephon. abgerufen. Sonst war nur Viktoria da, das Mädchen der Aquinataschwestern, die jetzt allein noch hier ist, nachdem Schw. Maria telegraph. nach Berlin abgerufen worden ist. – Auch Frau Else Eitner war wenigstens anfangs zugegen. Sie war drei Tage lang hier u. mußte heute vormittag nach Bln. zurückfahren. –

     Die Russen machen starke Fortschritte, weshalb von unserer Seite von beweglicher Kriegführung und von Frontverkürzung geredet wird.

Mittwoch, 22. Sept. 43.     

     Seit gestern kühles Herbstwetter, Wind u. Regen. Der ungewöhnlich schöne Herbst dieses Jahres scheint zuende zu sein. Nachmittags war ich gestern mit Martha bei Frau Monheim.

     Churchill ist aus Washington zurück. Rede im Unterhause. Bemerkenswert, daß er sagte, er habe den Feldzug in Afrika u. jetzt in Italien niemals als Ersatz für eine Landung in Nordfrankreich, Belgien oder Holland betrachtet, woraus zu entnehmen ist, daß diese Landung nun bald zu erwarten sein dürfte. – Er sprach eingehend über die Verhandlungen mit Italien, die dem Waffenstillstande vorausgegangen sind. England + Amerika haben sich hierbei wirklich musterhaft dumm benommen. Anstatt eine Landung sofort durchzuführen, haben sie wochenlang mit Italien über die bedingungslose Kapitulation verhandelt, bis die Deutschen Wind von der Sache bekommen haben u. Gegenmaßnahmen treffen konnten. – Auf dem Balkan beginnt nun eine hochinteressante Entwicklung. Es gab dort bisher zwei verschiedene Bandenbewegungen. Die eine stand unter Führung des serbischen Obersten Michailowitz (oder ähnlich) u. die andere war rein kommunistisch u. wurde von Rußland gestützt, während die erste sich der Freundschaft Englands erfreute. Beide Bewegungen waren untereinander verfeindet, oder doch nicht freundlich. Jetzt ist England in der Lage, seine Banden tatkräftig zu unterstützen, sie heißen nun nicht mehr Banden, sondern jugoslavische Freiheitsarmee. Sie erhalten von England Waffen u. es scheint, daß auch englische Offiziere u. Soldaten aktiv beteiligt sind. Es wird behauptet, daß sie bereits die ganze dalmatinische Küste in der Hand hätten bis nach Fiume hin, sodaß eine Landung der Engländer dort ein Kinderspiel sein würde. Damit aber würde England zugleich den von Moskau unterstützten kommunistischen Banden entgegentreten u. es würde auf diese Art bereits ein bewaffneter Konflikt zwischen Rußland u. England auf dem Balkan entstehen, ohne daß Rußland selbst in der Lage wäre, aktiv einzugreifen, solange wenigstens Rumänien noch nicht besiegt ist. Rumänien, Ungarn u. Finnland sind allerdings sehr unsicher geworden, aber zugunsten Englands, denn Rumänien u. Ungarn werden natürlich bei England gegen Rußland Schutz suchen. –

     In Rußland selbst hat sich eine deutsche Freiheitspartei aufgetan, die von deutschen, kriegsgefangenen Generälen geführt wird. Vorsitzender ist ein General v. Seydlitz, der ein Armeekorps bei Stalingrad geführt hat, u. ein General von Daniel, ebenfalls Stalingradkämpfer. Es mutet wie ein Witz an, daß diese Stalingradkämpfer, die s. Zt. von unserer Propaganda als Helden gefeiert wurden, die angeblich bis zum letzten Mann gekämpft haben in Treue für den Führer, daß ausgerechnet diese von unserer Propaganda totgesagten Helden nun plötzlich wieder dastehen, um gegen den Führer zu kämpfen.

     An der Ostfront machen die Russen weiter Fortschritte. Sie stehen dicht vor Smolensk u. Witebsk u. dicht vor Kiew.

     Ich erhielt vom Wehrbezirkskommando Stralsund eine Aufforderung, drei Lichtbilder zwecks Ausstellung eines Ausweises

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Hans Brass: TBHB 1943-09-22. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-09-22_001.jpg&oldid=- (Version vom 9.7.2024)