Seite:HansBrassTagebuch 1943-08-13 001.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Küchentür verließ. Ich ging vorne herum ums Haus u. traf einen Herrn, der momentan als Sommergast hier ist u. der mir im Geschäft durch sein ungemein originelles Wesen oft aufgefallen ist u. mit dem ich mich gern unterhalte. Offenbar hat er auch eine Neigung zu mir. Ich stellte ihn u. er sagte mir, er habe gehört, daß Fritz gekommen sei u. das habe ihm die Idee gegeben, dem jungen Paare ein Ständchen zu bringen. Margret habe ihm gesagt, daß wir geistlichen Besuch hätten u. da habe er auch uns ein Ständchen gebracht. Er war überaus nett u. ich habe mich herzlich gefreut. Ich werde nun versuchen, diesen Menschen näher kennen zu lernen. –

     Heute früh die letzte Messe; Pfr. Feige u. P. Dubis fahren heute Nachmittag wieder ab. Sie fahren nach Bln., einen sehr ungewissen Schicksal entgegen. Pfr. Feige will allerdings nicht gleich in Bln. bleiben, sondern noch seine Schwester in Schlesien besuchen, da er fünf Wochen Urlaub hat.

     Gestern nachmittag war der kleine Borchers noch einmal bei mir, um Zigaretten zu erbitten. Ich ließ mir etwas von Hmb. erzählen. Als Pionier ist er ja sowohl bei den Rettungsaktionen wie bei der Aufräumung tätig. Seine kurzen Schilderungen sind grauenhaft. Er ist mit dem Motorrad durch die Straßen gefahren, oft über die verkohlten Leichen hinweg. Zerfetzte Menschen, abgerissene Glieder. Es brennt immer noch, besonders die Schiffe im Hafen.

     Jens wird nun bald zur Schule gehen. Es beginnt jetzt sein drittes Schuljahr. Ich werde ihm Religionsunterricht geben. –

     Bisher hatten wir das Geschäft jeden Montag, Mittwoch, Donnerstag u. Sonnabend von 4 – 7 Uhr für das Publikum geöffnet, von jetzt an wollen wir auch den Donnerstag schließen.

     Politisch nichts Neues. Das Gerücht über die großen Beratungen im Führer-Hauptquartier ist offiziell bestätigt, – auch die Reise Görings nach Hmb. Also wird es wohl auch stimmen, daß Ribbentrop nach Rom gefahren ist. Dort ist der Innenminister der neuen Regierung Badoglio bereits zurückgetreten. – Auf Sizilien geht es nur langsam vorwärts. Auch die Ostfront scheint noch zu halten, wenngleich die Russen in unverminderter Stärke angreifen u. dabei zweifellos auch Gelände gewinnen, was von uns allerdings nie zugegeben wird.

Freitag, 13. Aug. 1943.     

     Gestern Abend jener originelle Mann bei uns, der uns kürzlich das Ständchen gebracht hat. Er kam erst sehr spät und brachte seine Frau u. seine Laute mit. Er führte sich mit einem Ständchen in der Diele ein. – Ich habe mich nicht getäuscht, er ist der originellste Mensch, den ich kennen gelernt habe. Im bürgerlichen Beruf ist er prakt. Arzt in Leipzig u. er heißt Walther Röthig. Er hat uns den ganzen Abend mit Liedern, die er mit seiner Frau sehr schön vortrug u. mit sprudelnder Rede unterhalten. Er ist der Sohn eines Volksschullehrers aus Leipzig, der ein großer u. sehr frommer Musikus war u. es als Kantor an St. Johannis in Leipzig zum Professor gebracht hat Seine Mutter Kläre, ebenfalls eine sehr musikalische Frau, hat mit dem Vater zusammen gesungen u. musiziert, so wie es jetzt der Sohn mit seiner Frau tut. Die Eltern u. Großeltern waren Nachkommen aus der Herrenhuter Gemeinde u. diese eigenartige Frömmigkeit ist in Walther R. noch immer lebendig. Das Leben dieses Mannes steht völlig unter dem christl. Gedanken, wie es bei seinen Vorfahren der Fall war u. er erzählte Dinge, die fast

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-08-11. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-08-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 20.5.2024)