Inzwischen geht der Bürgerkrieg in Spanien fröhlich weiter. Wir lesen in den Zeitungen, daß Rußland Zehntausende von Freiwilligen, Flugzeugen, Tanks u. andern Waffen nach Spanien sendet, auch Frankreich liefert Waffen. Wir sind entrüstet darüber. Aber man erfährt, daß hier u. da die Eltern von Militärfliegern die amtliche Nachricht erhalten, daß ihre Söhne auf einem „Deutschlandfluge“ seien u. Adressen nicht angegeben werden könnten, die Eltern mögen Briefe da u. da hinsenden. – Wo mögen diese Flieger u. ihre Flugzeuge sein? Ist Deutschland so groß, daß man nicht weiß, wo sie sind?
Und man hört, daß Handelsschiffe in Abwesenheit der Mannschaft mit Gütern beladen werden u. mit unbekanntem Ziel in See gehen. Der Kapitän bekommt einen Brief mit, den er erst an einer bestimmten Stelle auf See öffnen darf u. in dem angegeben ist, wohin er zu fahren hat. – Der Export Deutschlands scheint demnach erfreulich zu steigen, – aber da wir zugleich Fettkarten einführen, scheint es nicht so, als ob wir mit diesem „Export“ Devisen hereinbekommen. – Merkwürdig!
Im Jahre 1933 wollte Herr Hitler nach vier Jahren Rechenschaft ablegen vor dem Volke über die Erfolge seiner Regierung. Diese Rechenschaft besteht vermutlich in dem jetzt von Herrn Göring verkündeten „Vierjahresplan“, – der unter genau demselben Schlagwort geführt wird, wie s. Zt. der Weltkrieg nach der verlorenen Marneschlacht, nämlich: „Durchalten!" –
Offenbar damit das Volk abgelenkt wird von solchen Gedanken, beginnt der „Stürmer“ eine neue, fröhliche Hetze gegen die Kirche, sowohl gegen die Protestantische wie die Katholische. Juden sind nun nicht mehr genug da, gegen die der Stürmer hetzen kann, – jetzt kommt die Kirche dran. Ob man wohl vorbauen will? Vielleicht will man es jetzt schon so einrichten, daß die Kirchen eines Tages an allem Schuld sind, wenn die Sache schief geht!
Gestern, am Fest der hl. 3 Könige, hatte ich mit Maria verabredet, zum Hochamt nach Dahlem in die neue St. Bernhard'skirche zu fahren. Ich fuhr mit der Untergrundbahn bis Dahlem=Dorf, nachdem ich morgens hier in der Frühmesse gewesen war u. nachher gefrühstückt hatte. Trotzdem war ich sehr angestrengt. Ich werde mich untersuchen lassen müssen. Ich fühle mich oft so erschöpft, daß ich ein Gefühl habe, als könne jeden Augenblick das Leben erlöschen, ja, daß ich zuweilen den Wunsch habe, es möge so sein. Besonders die Treppen machen mir große Mühe u. zuweilen komme ich atemlos u. in Schweiß hier oben an, die Kniee u. Hände zittern. Es ist ein qualvoller Zustand. Ich sitze lange, bis ich mich erholt habe. Zuweilen, so gestern, bereitet es mir große Anstrengung meine Schuhe zu reinigen u. anzuziehen u. ich habe den Wunsch,
Hans Brass: TBHB 1937-01-04. , 1937, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1937-01-07_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2024)