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Seite:HansBrassTagebuch 1936-02-03 005.jpg

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worden war, gab mir die nötige körperliche Kraft, um all das ohne ernste Schädigung der Gesundheit zu überstehen.

     Wenn ich dagegen den Werdegang eines Langbehn vergleiche, so muß ich doch sagen, daß dieser wie auf Rosen gewandelt ist. Er war aus sicheren, fest fundierten Verhältnissen hervorgegangen, – wenigstens geistig, wenn auch arm, – u. hatte als Rüstzeug eine vorzügliche Bildung mitbekommen, – damit konnte er den Kampf gegen den Ungeist der modernen Zeit schon aufnehmen, zumal dieser Ungeist damals gerade erst begann u. er selbst davon frei war. Ich hingegen bin in diesen Ungeist hineingeboren, habe keine Familientradition gehabt u. bin in diesem Ungeist erzogen worden. Ich hatte ja keine Vergleiche, denn auch meine Schulbildung war sehr mangelhaft, von Religion wußte ich fast nichts. Mir waren die Ziele als erstrebenswert vorgestellt worden die der Materialismus zu bieten hat: Geld, Stellung, Ansehen. Diesen Zielen strebte ich entgegen, aber ein innerer Widerwille davor versagte mir jeden Erfolg. Diese Erfolglosigkeit höhlte mein Selbstvertrauen aus u. kränkte meine dünkelhafte Eigenliebe. Ich konnte zudem diese Erfolglosigkeit nicht begreifen, weil es offenbar war, daß ich viel mehr Fähigkeiten besaß, als die Meisten, die ich kannte, u. die doch Erfolg hatten. So bin ich selbst ein Beispiel für die Richtigkeit alles dessen, was Langbehn vorausgesehen hat, – nämlich, daß dieses preußisch-berlinische Strebertum unbedingt zum Ruin des deutschen Volkes führen müsse. Dieses preußisch-berlinische Strebertum ist wahrhaftig die innerste u. eigentlichste Ursache des Weltkrieges geworden; u. das deutsche Volk hat nichts daraus gelernt. Heute feiert dieser preußische Geist wieder Orgien. –

     Der Sieg dieses Preußengeistes hat es mit sich gebracht, daß alles, was sonst noch an Gefühlswerten u. an Gefühlswärme im deutschen Volke lebt, ein verkümmertes u. verkitschtes Dasein führt. Wer noch Gefühlswärme besitzt, schämt sich dessen u. ist preußischer als die Preußen. Das ergibt eine fatale Verlogenheit auf allen Gebieten, sodaß man eine echte Gefühlsäußerung überhaupt kaum noch findet. Das macht sich besonders übel auf dem Gebiete der religiösen Kunst geltend. Was da auch gemacht wird, alles entbehrt den einfachen Geist schlichter u. inniger Frömmigkeit, u. so kommt es, daß man überhaupt nicht mehr künstlerisch produktiv sein kann auf diesem Gebiet. Die sog. „Kunstsachverständigen“ erkennen nur eine streng stilisierte verstandesmäßig durchkomponierte Arbeit an, die gemütlich kalt läßt – u. die Masse des Volkes hält sich fest an einer üblen, süßlichen Devotionalienkunst. Selbst ein Maler wie Schiestel, der dies sehr wohl fühlt, verfällt diesem Ungeist, weil er sonst einfach keine Abnehmer für seine Bilder findet. Leider zieht er es vor, Abnehmer zu finden.

     In dieser Lage bin ich selbst nun dumm daran, nachdem ich es übernommen habe, für Herrn Paul Frank aus Hindenburg ein Abendmahl zu malen. Er hat mir gesagt, daß er die Bilder des Malers Fügel sehr hoch schätzt, es ist das wohl der erfolgreichste, katholische Maler, – u. er ist so erfolgreich, weil er den platten Instinkten des Publikums in geradezu schamloser Weise entgegenkommt. Ich habe nun in der letzten Zeit versucht, mich wenigsten gedanklich

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Hans Brass: TBHB 1936-02-03. , 1936, Seite 005. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1936-02-03_005.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2024)