Goebbels, Göring, Rust, Schacht u. wie sie alle heißen, sich nicht gegenseitig trauen u. teilweise in ganz offener u. unverhüllter Feindschaft leben. Goebbels u. Göring grüßen sich nicht, Rust wird über die Achsel angesehen. Reden von Schacht werden verheimlicht u. die Veröffentlichung verboten. So wie diese Führer es vormachen, so geht es hinab bis zum letzten SA=Mann. Jeder hat sein Spezialgebiet, auf dem er sich austobt, bis zum Herrn Staatsrat Streicher, der mit seinem „Stürmer“ das Ansehen deutscher Geistigkeit u. Kultur im Auslande so untergräbt, daß diese Zeitung nicht mehr ins Ausland gesandt werden darf. Ich hörte, daß der öffentliche Handel dieser Zeitung in ganz Schlesien verboten ist, weil man sich vor den Polen u. den Tschechoslowaken deshalb geniert. – Dazu tritt dann noch Herr Alfred Rosenberg, der die deutsche Kultur u. Geistigkeit zu bestimmen hat u. mit seinen ehrgeizigen Helfershelfern den Kampf gegen den Katholizismus eröffnet hat. Die Verseuchung u. Verhetzung dauert nun drei Jahre lang u. wird mit steigender Planmäßigkeit betrieben. Bisher haben die Katholiken auf Geheiß ihrer Bischöfe Gewehr bei Fuß gestanden u. offenbar hat man ihnen dies als Furcht u. Schwäche ausgelegt. In Wahrheit aber ist in diesen drei Jahren der zunehmenden Hetze der Katholizismus innerlich erstarkt u. gewachsen. Wenn mich mein Gefühl nicht ganz verlassen hat, so dürfte diese Zeit des Duldens u. Abwartens nun vorüber sein, die kurze, sachlich-knappe Verlautbarung der ungewöhnlichen, außerplanmäßigen Bischofskonferenz letzthin deutet darauf hin.
In der evangelischen Bevölkerung treiben die Dinge ebenfalls in dieser Richtung. Auch hier ist in den Kreisen der sog. Bekenntnisfront eine Klärung, Reinigung u. Erstarkung zu erkennen, während die anderen, die schon vorher der Religion gleichgültig gegenüberstanden, sich nun deutlich von jenen getrennt haben.
Man kann also ruhig, feststellen, daß diese sog. „Reichseinheit“ eine reine Zwangssache ist, erzwungen durch Macht. Innerhalb der Partei herrscht Mißtrauen u. Zank, die frühere evangel. Kirche hat sich auf das kleine Häuflein der Bekenntnisfront zurückgezogen u. wird befehdet von den ausgeschiedenen Neuheiden, – u. die Katholiken sind mehr oder weniger offen in der Rolle von Staatsfeinden. Das ist die Einheit des Deutschen Volkes! – oder der Erfolg des Nationalsozialismus nach den ersten drei Jahren. Im Hintergrunde irgendwo unsichtbar lauern die Kommunisten. –
Und was wird nun dieses vierte Jahr bringen, nach dessen Ablauf Adolf Hitler dem Deutschen Volke Rechenschaft zu geben vesprochen hat? Wird er dieses Versprechen noch einhalten können?
Er ist einmal am Kehlkopf operiert worden. Man hat offiziell darüber berichtet. Nun ist die Operation wiederholt worden, – u. diesmal hat man nicht berichtet, sondern man hat es zu verheimlichen versucht. Wer etwas verheimlicht, muß die Wahrheit fürchten. Es ist mindestens der Erfolg dieser Verheimlichung, wenn heute alle Welt von der tuberkulösen Kehlkopferkrankung des Führers spricht, – wenn man davon spricht, daß sein Leben nur noch nach Monaten begrenzt ist, – u. wenn man bereits die unmöglichsten Kombinationen über seine Nachfolge anstellt. – Die Unmöglichkeit dieser Kombinationen zeigt nur zu deutlich, daß
Hans Brass: TBHB 1936-01-30. , 1936, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1936-01-30_003.jpg&oldid=- (Version vom 12.9.2024)