des Priesterseminars zu Viviers die Priesterweihe.
Sein Plan mit dem „Berge der 8 Seligkeiten“ erweist sich seiner Meinung nach in der Form als falsch. Er meint jetzt, diesen Plan in einem Lande ausführen zu müssen, in dem ganz kranke u. ganz verlassene Seelen sind. Er muß zu den ganz Lahmen, Blinden u. Armen gehen, zu Seelen, die ohne jeden Hirten sind. Solches Land ist Algier u. Marokko. –
Er bittet den General der Weißen Väter, Bischof Livinhac, zu dessen Missionsgebiet die Sahara gehört, sich in einem der Garnisonorte der westlichen Sahara niederlassen zu dürfen. Er will dort den Soldaten das Sakrament spenden u. gleichgesinnte Genossen suchen, die mit ihm der Anbetung des allerheiligsten Sakraments obliegen. Die Genossenschaft, die er sich denkt, nennt er „die kleinen Brüder vom Herzen Jesu“. –
Er nennt sich nun „Bruder Charles de Jesus“ u. begiebt sich in die Oase Beni Abbes. Dort baut er eine kleine Kapelle mit einer Klause u. mehreren Gelassen, um Wüstenwanderer zu beherbergen. Er tut Gartenarbeit betreibt Studium, Gebet u. Unterricht. Zur Mitternacht steht er auf, um Matutin u. Laudes zu rezitieren. Seine Nahrung besteht aus Gerstenbrot u. Datteln u. einem ungenießbaren Tee aus einer Wüstenpflanze. Sein Programm ist Christen u. Moslim ein Bruder zu sein. So erobert er sich durch absolute Selbstlosigkeit die Herzen aller.
Meine Begeisterung für Br. Charles hat schon Frucht gebracht. Längst hatte ich mir vorgenommen, die Zahl der Stunden meiner nächtlichen Anbetung, die nun schon seit langer Zeit fest auch acht steht, weiter zu erhöhen; aber ich mußte einsehen, daß ich es nicht konnte. Ich hatte nämlich immer dabei im Auge, ganz offiziell mich mit weiteren Anbetungsstunden in die Liste eintragen zu lassen, wobei ich mich bei strenger Prüfung beschuldigen muß, daß meine Eigenliebe dabei eine Rolle spielte. Mit meinen acht Stunden kommt mir so wie so niemand nach; aber ich wollte noch mehr tun, aus sportlichem Ehrgeiz. Ich kann mich wohl entschuldigen, indem in der Tat die Idee noch größerer Sühneleistung u. der Wille, den Lauen ein gutes Beispiel zu geben, die Triebfeder dabei waren, – aber doch mischte sich eben auch sportlicher Ehrgeiz u. Eitelkeit ein. Wir Menschen können ja tatsächlich nichts tun, ohne unsere guten Werke mit solch unordentlichen u. trüben Strebungen zu verunzieren.
Nun ist mir gestern eingefallen, daß es ja garnicht notwendig ist, meiner nächtlichen Anbetung offiziell weitere Stunden hinzuzufügen. Ich hatte erwogen, wie Br. Charles stets um Mitternacht Matutin u. Laudes gebetet hat. Die Matutin ist in meinem benediktinischen Brevier nicht enthalten, sondern nur die Laudes, Prim usw. Um die Laudes zu rezitieren, genügt eine halbe Stunde. Es ist also völlig genug, wenn ich um 12 Uhr in der Kapelle bin, die Laudes bete u. um 1/2 1 Uhr wieder gehe. Ich muß um 3/4 12 Uhr aufstehen u. liege um 3/4 1 Uhr schon wieder im Bett. So habe ich's heute Nacht gleich gemacht u. es ging sehr gut, ich konnte gut um 6 Uhr früh wieder in der Frühmesse sein.
Das Gute dabei ist, daß eine halbstündige Anbetung nicht in den offiziellen Anbetungsplan hineinpaßt, denn dieser geht immer von voller Stunde zu voller Stunde. Ich kann also meinen Namen nicht in die Liste eintragen lassen. Mithin weiß niemand, daß ich von nun an allnächtlich meine Anbetung halte u. meiner Eitelkeit ist damit ein Schnippchen geschlagen. Diese Anbetung wird ganz unauffällig u. fast heimlich geschehen. Ich betrachte sie als eine besondere Sühneaktion für konkrete Fälle, die mir
Hans Brass: TBHB 1935-11-05. , 1935, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-11-06_001.jpg&oldid=- (Version vom 6.10.2024)