Er war tapfer im Kampf, ertrug alle Entbehrungen der Wüste u. zeigte glänzende, militärische Eigenschaften. Er war 24 Jahre. –
In diesen Kämpfen hatte die Wüste einen großen Eindruck auf ihn gemacht u. er erbat deshalb einen Urlaub, um eine Forschungsreise nach Südalgerien zu machen. Der Urlaub wurde ihm verweigert u. er nahm darum erneut den Abschied.
Sein Plan war, von Algerien aus die damals noch ganz unerforschten Gebiete Marokkos zu bereisen. Es war ganz unmöglich, als Christ u. Europäer zu reisen, – es gab dazu nur zwei Möglichkeiten: er mußte sich als Moslem oder als Jude verkleiden. Charles de Foucauld wählte das Letztere u. er wagte die Reise als russischer Rabbiner. Er lernte zuerst einmal Arabisch u. Hebräisch. Sodann lebte er in Algerien drei Monate lang in der verachteten Tracht eines Juden, um sich in seine Rolle einzuleben. Schließlich ging er als Rabbiner Aleman von Tanger aus in das verbotene Land am 20. Juni 1883. Als Führer nahm er einen Rabbiner Mardochai Abi-Serur mit. Die Reise war außerordentlich gefahrvoll. Er überschritt den großen Atlas, durchquerte fast das ganze Land, überschritt an zwei Stellen den kleinen Atlas, ging wieder an die Küste nach Mogador, um sich Geld nachschicken zu lassen u. schlug dazu westlich des Atlas einen ganz neuen Weg ein. Am 23 Mai 1884 kam er zurück bei Lalla-Marnia.
Nach dieser Reise blieb er zunächst in Algerien, um die Ergebnisse der Reise zu sichten, dann ging er nach Paris, um einen Reisebericht auszuarbeiten. Im Jahre 1888 erschien dieser Bericht als ein bedeutendes Buch: „Reconnaissance au Maroc“ u. Charles de Foucauld war mit einem Schlage ein berühmter Mann. –
Bald kehrte er nach Algerien zurück. Im Jahre 1885 durchquerte er Südalgerien, das Land der Chotts, bis an die kleine Syrte. Wieder ging er von dort nach Paris, um die Drucklegung seines Werkes zu überwachen. Der Lebemann war spurlos verschwunden. Er hatte auf der Reise das religiöse Leben der Moslims kennen gelernt, das einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht hatte, – so wie mich selbst ja auch das religiöse Leben des Mohammedaner beeindruckt hat, das ich während des Krieges in Macedonien kennen lernte. Wer nicht vollkommen oberflächlich u. gedankenlos ist, kann daran nicht vorbeigehen, ohne ergriffen zu werden. Man bekommt davon Hunger u. Durst nach Religion. Auch Charles de Foucauld wurde von diesem Hunger u. Durst befallen.
In solchem Zustande lernte er 1886 einen frommen u. geistvollen Abbé Huvelin kennen. Dieser Mann nötigte ihn zu einer vollständigen Lebensbeichte, indem er ihm sagte: „Sie sind ja garnicht ungläubig, – Sie müssen nur Ihr Gewissen in Ordnung bringen“. – Charles de Fourauld verließ die Beichte als gläubiger Christ. –
Charles de F. widersteht darauf der selbstverständlichen Lockung, den bedeutenden Erfolg, den ihm seine Reise u. sein Werk in Aussicht stellen, auszunutzen. Er lebt still im engeren Verwandtenkreise u. gibt sich der neuen, transzendenten Gedankenwelt hin. Er lernt die Wunder der Mystik kennen, die alle Wunder seiner Reise weit übertreffen. Sein harter Wille führt ihn zu immer strengerer Askese.
Die Unruhe zu Gott treibt ihn zu einer Reise in das Heilige Land. Hier lernt er die kleine Trappistenabtei Cheikle bei Akbes in Syrien kennen. Diese muß auf ihn wohl ähnliche Wirkung gehabt haben, wie es bei mir mit den weltabgeschiedenen, macedonischen Bergklöstern der Fall war, an die auch ich nicht zurückdenken kann ohne große Sehnsucht. Ich bedaure heute noch, daß ich damals nicht all das in seiner Fülle begriffen habe, sonst wäre ich damals sicherlich desertiert u. hätte mich in einem solchen Kloster verborgen. –
Im März 1889 kehrt Charles d.F. nach Frankreich zurück. Am 17. Januar 1890 läßt er sich in der Trappistenabtei Notre Dame des Noiges in den Cevennen als Novize aufnehmen.
Hans Brass: TBHB 1935-11-05. , 1935, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-11-05_002.jpg&oldid=- (Version vom 6.10.2024)