aufbrachte, auf seinen Platz zu gehen sondern in einiger Entfernung von mir ebenfalls in der letzten Bank blieb. – Diesmal aber war ich der Zähere, denn um 1/2 2 Uhr drückte er sich verlegen hinaus, obgleich seine Zeit erst um 2 Uhr vorbei war. Obgleich ich selbst ja bis 3 Uhr bleiben mußte, dachte ich nun doch, nicht heldenhafter sein zu brauchen als er, zumal ich sehr müde war. In der Nacht vorher war ich ja erst um 1 Uhr ins Bett gekommen u. um 6 Uhr aufgestanden, u. gestern abend ging ich zwar um 9 Uhr schlafen, aber die Aufführung im Hof verursachte so viel Lärm, daß ich trotz Müdigkeit nur schwer einschlafen konnte. Also ergriff ich 10 Minuten später ebenfalls das Hasenpanier. Wenn ich gesündigt habe, möge Gott mir verzeihen.
Heute vor 3 Jahren empfing ich durch P. Albertus O.P. das hl. Sakrament der Taufe. Dabei waren als Pate Rechtsanw. Vogt u. ferner Pfarrer Pietryga. Merkwürdigerweise war Pf. Pietryga heute morgen bei mir. –
Draußen ist es kalt, regnerisch u. windig. Ich war um 4 Uhr früh in der Kapelle, um 5 Uhr begann feierliches Levitenamt, bei dem Pf. Pietryga als Diakon assistierte. Anschließend war Prozession im Hof, wo 4 Altäre aufgebaut waren. Alle froren, – besonders die kleinen Mädchen in ihren weißen Kleidchen, die blumenstreuend in der Prozession mitgingen u. meist nüchtern waren, da sie morgens kommuniziert hatten. Sie taten mir etwas leid.
Ueberhaupt: Der Sinn der Fronleichnams-Prozession ist doch der, den eucharistischen Heiland hinauszutragen aus der Enge der Kirchenmauern, – hinaus in Gottes Natur, – an das Licht des Tages, – in die Oeffentlichkeit, – über Fluren u. Felder. – Aber hier? – Hier trug man den Heiland hinaus, oder besser hinein in diesen zementierten Hof, dessen Zugänge nach der Straße wohlweislich verschlossen waren, man trug ihn von einem Altar zum nächsten, sieben bis acht Meter entfernten Altar, – von einer Prozession war da natürlich keine Rede, – man stand eben irgendwo u. wendete sich bloß nach der Richtung des neuen Altars hin, – u. man fror. Man fror, u. wußte nicht: fror man wegen der Winterkälte dieses Morgens oder wegen der traurigen Frostigkeit dieses Festes? –
Später besuchte mich Pf. Pietryga. Humoristisch, wie er ist, meinte er, – sich in meiner Klause umschauend, ich müsse nur Sorge tragen, daß mein Bart immer kurz gehalten werde. Ich fragte verwundert, wieso das? – Nun, – meinte er, – wenn Ihr Bart länger wird, dann haben Sie keinen Platz mehr hier!
Wir unterhielten uns etwa eine halbe Stunde u. ich erzählte ihm, wie's mir hier geht. Er wird von jetzt ab jeden Mittwoch, hier die Abendandacht halten mit anschließender Bibellesung. Dazu hat er sich bereit erklärt. Daraufhin hat P. Petrus einfach zu ihm gesagt: „Dann können Sie ja auch gleich bis 12 Uhr sich an der nächtl. Anbetung beteiligen u. dann den Segen erteilen“ – Auf diesen Angriff war er nicht gefaßt gewesen u. so hat er sich dem nicht entziehen können. – Ich mußte lachen, – das ist so recht die Art von P. Petrus!
Das Kirchenblatt ist heute erschienen u. bringt meinen kleinen Artikel über das große Welttheater ziemlich groß. Er macht sich gut. Ohne mein Wollen ist der Artikel mit H.Br. gezeichnet, – da wird nun jeder wissen, daß ich das geschrieben habe.
Heute Mittag erhielt ich einen Brief von Maria W., – die Gute hat an meinen Tauftag gedacht, – nur daß sie sich um einen Tag im Datum geirrt hat, indem sie annimmt, der Tag wäre heute. Ich bin ganz gerührt davon daß sie daran gedacht hat bei der vielen Plage, die sie mit ihrem Geschäft in A. hat. Sie will für 3 Tage nach Bln. kommen, um mit mir meinen Geburtstag zu verleben, – das wäre wirklich schön!
Hans Brass: TBHB 1935-06-20. , 1935, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-06-20_001.jpg&oldid=- (Version vom 2.10.2024)