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Seite:HansBrassTagebuch 1935-04-30 001.jpg

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Dienstag, den 30. April 1935.     

     Heute morgen fuhr ich nach Zehlendorf u. holte mir vom Sparkassenbuch meiner Nichte Eva 50,– Rm., um die Miete u. sonstige Umzugs=Kosten decken zu können. Ich werde das Geld spätestens bis Juli zurückzahlen können, hoffentlich aber früher, denn Fritz W. hat mir gesagt, daß Frau Bertsch – Ahrenshoop, der ich kürzlich eine Vignette gezeichnet habe, mir dafür 50,– Rm. schicken wird. Außerdem bekomme ich für Mai u. Juni noch je 15,– Rm. Wohlfahrts-Unterstützung, da ja mein Mietsvertrag noch so lange läuft u. ich so lange hier wohnberechtigt bin. Dann allerdings werde ich die Wohlfahrt aufgeben. –

     Nachher habe ich wieder gut gearbeitet, sodaß ich nun mit dem Buche Exodus fertig geworden bin. Dann habe ich den größten Teil meiner alten Bilder von den Rahmen abgenommen u. zusammengerollt, meinen Namen überall herausgeschnitten. Ich werde sie meinem Nachbar Gorbatiuk als alte Leinewand schenken, der sie auf der Rückseite noch verwenden kann. Das Bild: „Josef u. Potiphars Weib“ habe ich mit Farbe überschmiert, wie mir P. Momme-Nissen einmal geraten hat. Er würde schmunzeln, wenn er es wüßte. –

     Abends Rosenkranz u. nachher Nachfolge Christi. –

     Es ist schrecklich kalt, – am ganzen Tag ist das Termometer nicht über 9° Wärme gekommen. – Es wird ein schlechter Sommer werden.

Donnerstag, den 2. Mai 1935.     

     Ich kann nicht zählen, wie oft ich heute schon fast den Mut verloren habe. Ich sitze jetzt in meinem ach, so kleinen Stübchen, um mich herum ein Chaos von Sachen die ich nicht unterbringen kann – es scheint hoffnungslos zu sein.

     Immer wieder sage ich: mir geschehe nach Deinem Willen!

     Gestern der 1. Mai. – Als ich morgens aufwachte, waren die Dächer der gegenüberliegenden Häuser weiß verschneit. Ich glaubte, zu träumen. Die Straßenbäume, die schon große Blätter haben, beugten ihre Äste unter der Last des Schnees, der in dichten Massen herabwirbelte. – Später bekam zwar die Sonne Kraft u. taute den Schnee weg, aber es hat mit kleinen Unterbrechungen den ganzen Tag bis zum Abend geschneit.

     Mittags war ich zum letzten Male bei Faensens. Sie waren sehr nett zu mir u. bedauerten aufrichtig, daß ich fortging. Herr F. sagte ganz treuherzig, daß ihm seit vielen Jahren ein Mann wie ich gefehlt habe. – Ich nahm es zum Anlaß, ihm nochmals mit allem eindringlichen Ernst zu sagen, daß er sein tägliches Leben viel konsequenter als bisher katholisch gestalten müsse. Wir sprachen auch über Pfarrer M. u. Herr F. war recht erbittert über ihn.

     Nach Tisch fuhr ich zu P. Albertus, dem ich die bevorstehende Veränderung erzählte. Ich wurde wie immer mit Kaffee u. Gebäck bewirtet, bekam vorzügliche Cigarren, von denen ich einige mitnehmen mußte – kurz, – es war wie immer – nämlich als ob man beim lieben Gott zum Kaffee eingeladen ist. Wie ist dieser alte Herr doch prachtvoll u. verehrungswürdig. – Natürlich freute er sich mächtig, daß nun alles so gekommen sei. –

     Dann fuhr ich nach Hause, packte meine Sachen, versuchte dann noch, Kaplan Stahl zu sehen, was auch vor seiner Haustür gelang, als er aus der Maiandacht kam. Ich konnte aber nicht mit ihm in seine Wohnung, weil er die Friedenauer Jugend bei sich hatte. Der Pfarrer ist mit dem famosen „Kreis aktiver Katholiken“ nach Norditalien gefahren, was mich der Unannehmlichkeit enthebt, mich von diesem Manne verabschieden zu müssen.

     In meinem Atelier war es schrecklich kalt u. ich ging früh ins Bett. Heute stand ich früh auf u. packte weiter. Um 8 Uhr kam Frau May u. half mir sehr wirksam. Sie war eine gute, treue Person, der l. Gott möge sie belohnen.

     Gegen 11 Uhr kam das Lastauto des Christkönigshauses mit drei netten, jungen Leuten. Wir luden auf u. waren um 1/2 2 Uhr in der Petersburgerstraße. –

     Ich bin von der Unruhe stark überanstrengt, was meine Mutlosigkeit

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1935-04-30. , 1935, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-04-30_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2024)