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Seite:HansBrassTagebuch 1934-11-06 002.jpg

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bittet, was nicht auch Gott will. Wenn es beim hl. Dominikus u. anderen großen Heiligen so war, dann beweist das eben bloß, daß der Wille dieser Männer vollkommen übereinstimmte mit dem Willen Gottes. Und das ist die Essenz der ganzen Lehre Christi. –

     Um 7 Uhr war ich noch rasch beim Kaplan u. berichtete ihm über meine Unterredung mit Herrn Hartnack. Er wird nun seinerseits gleich daran gehen u. Übungssätze machen. Ich traf dann auch den Pfarrer, dem ich vom Erfolg in der Kirche erzählte. Er freute sich sichtlich u. meinte, daß er, wenn ein solches Bedürfnis vorläge, er auch bereit sei, die Kirche schon um 4 Uhr zu öffnen. –

     Den am Montag an Pf. Pietryga geschriebenen Brief habe ich doch nicht abgeschickt. Es genügt wohl, wenn ich persönlich mich zurückziehe.

     Heute hatten wir 14° Wärme wie im Frühling bei herrlichstem Sonnenschein. – Mein Fuß schmerzt noch, ist aber besser. –

     Ich gehe jetzt ernsthaft daran, den „Aufstieg zum Berge Karmel“ von Johannes vom Kreuz zu lesen, nachdem ich das Buch einmal ohne besondere Aufmerksamkeit durchgelesen habe.

     Seine Lehre ist zusammengefaßt in einem wundervollen Gedicht. Unter dem Berge Karmel versteht er den erhabenen Stand der Vollkommenheit, diese Vollkommenheit nennt er „Vereinigung der Seele mit Gott“. In dem Gedicht besingt die Seele das beseligende Los, „das sie beim Wandel durch die dunkle Nacht des Glaubens in Selbstentäußerung u. Läuterung empfand, bis sie zur Vereinigung mit dem Geliebten gelangte“.

     Das Gedicht lautet:

1) Es war in dunkler Nacht,
     ich brannt von Liebeswehn,
     – O Glück, das selig macht! -
     Entwich ich ungesehn
     Und ließ mein Haus in Ruhe stehn.

2) Gehüllt in dunkle Nacht,
     Vermummt mußt ich entsteigen,
     – O Glück, das selig macht! -
     In heimlich dunklem Schweigen
     Lag still das Haus, das mir zu eigen.

3) In jener Nacht voll Glück,
     Da sich kein Aug' mir wandte,
     Der Augen blöder Blick
     Kein wissend Licht erkannte
     Als das, so mir im Herzen brannte.

4) Mit ihm fand sichrer ich
     Als in des Mittags Schimmer
     Ihn, der geharrt auf mich,
     Den ich geliebt schon immer.
     Ein ander Gut traf ich dort nimmer.

5) Du warst mir Führer, Nacht;
     Nacht, süßer als der Morgen,
     Hast Herz zu Herz gebracht,
     Hast uns in Lieb geborgen,
     Mich im Geliebten, ihn in mir verborgen.

6) An meiner seligen Brust,
     die ihm allein zu eigen,
     Ruht er in süßer Lust.
     Und ich: mich liebend zu ihm neigen,
     Ihm Kühlung wehn mit Zedernzweigen.

7 )Als schon der Morgenwind
     Begann, sein Haar zu spreiten,
     Um meinen Nacken lind
     Ließ er die Rechte gleiten:
     Mir schmolz das Herz in Seligkeiten.

8) Ich gab, ergab mich ganz,
     Das Haupt am Lieb geborgen.
     Es schwand der Dinge Glanz,
     Vergessen war mein Sorgen,
     Da ich in Lilienduft geborgen.

Joh. v. K. sagt in der Vorrede, daß jeder, der zum Gotteslichte der vollkommenen Liebesvereinigung mit Gott gelangen wolle, – so weit das hienieden überhaupt erreichbar sei, – zuerst eine dunkle Nacht durchwandern müsse. Er sagt ferner, daß es

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Hans Brass: TBHB 1934-11-06. , 1934, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1934-11-06_002.jpg&oldid=- (Version vom 25.9.2024)