von diesem Original der güldenen Bulle, daß kein Diphtongus darinnen befindlich, welches doch sonst die älteste Schreib-Art der Lateiner gewesen, und auch noch heut zu Tage bey einigen Gelehrten üblich ist. Bey dem Lateinischen Original liegt in dem Lädgen auch ein deutsches in roth Pergament eingebundenes Exemplar von 35. Blättern, auch auf Pergament mit kleiner Mönchs-Schrifft geschrieben. An diesem aber hängt kein Insiegel, es hat auch niemahlen dergleichen, so viel man weiß, daran gehangen. Den Nahmen führet sie von der daran hangenden Kapsel, welches Wort nach der alten deutschen Mund-Art eine Bulle genennet wird. Es ist diese an 24. gelben und eben so viel schwartzen seidenen Fäden herab hangende Bulle oder Kapsel rundt, und von gediegenem Golde, so dick als ein doppelter Joachims-Thaler. Auf dessen einer Seite stehet das Bildniß Caroli IV. im Kayserlichen Habit sitzend, mit der Crone auf dem Haupte, in der Rechten den Scepter, in der Lincken aber die Welt-Kugel mit einem Creutz haltend. Dem Kayser zur Rechten in einem Schildgen stehet ein einfacher Adler, zur Lincken ein Löwe mit einem doppelten Schweiffe. Auf dem Rande um des Kaysers Bildniß herum stehen diese Worte, mit dem selbiger Zeit gewöhnlichen grossen Buchstaben: CAROLVS. QVARTVS. DIVINA. FAVENTE. CLEMENCIA. ROMANORVM. IMPERATOR. SEMPER. AVGVSTVS. ET. BOEMIE. REX. Auf der andern Seite dieser Bulle oder des Siegels erblickt man die Form einer Burg mit 3. Thürmen, welche, wie einige wollen, die Stadt Rom, oder nach anderer Meynung, das dasige Capitolium bedeuten soll. In der Mitte besagter 3. Thürme sieht man unten eine offene Pforte, worinnen diese 2. Worte Aurea Roma in dieser Ordnung zu lesen sind:
A V R
E A R
O M A
Um den Rand herum lieset man den lateinischen Vers:
ROMA. CAPUT. MUNDI. REGIT. ORBIS
FRENA. ROTVNDI.
Weil die seidenen Fäden, welche durch alle Blätter
gezogen, und womit die güldene Bulle zusammen gefüget ist,
Alters wegen dünne und unhaltbar worden waren, so
wurden an deren Stelle im Jahre 1642. von dem
Chur-Mayntzischen Abgesandten, in Beyseyn der dazu abgeordneten
Herren des Rathes und zweyer Syndicorum mit Zuziehung
zweyer Notarien und 4. Zeugen andere seidene Faden
hineingezogen. Dergleichen im Jahre 1710. den 5. Febr.
abermahls mit ebenmäßigen Umständen geschehen ist. Es ist
diese güldene Bulle im Jahre 1356. zu Nürnberg von
Kayser Carl IV. mit Genehmhaltung aller allda versammleten
Reichs-Stände abgefasset, und nachgehends publiciret
worden. Einige Geschicht-Schreiber sind sonst der
Meinung gewesen, als wäre solche Bulle zu Metz abgefasset
worden, jedoch es beweiset Herr Thulemeyer, daß die 23.
erstern darinnen befindlichen Capitel zu Nürnberg in
gedachtem Jahre, wie gemeldet, aufgesetzet und bekandt
gemacht; die nachfolgenden und übrigen aber, vom 24.
Capitel an bis zu Ende, in eben dem Jahre zu Metz verfertiget,
wie auch allda promulgiret und publiciret worden seyn.
Das Absehen bey Errichtung der güldenen Bulle gieng
dahin, daß alles, was in derselbigen enthalten ist, ein ewiges
u. unwiederrufliches Gesetz seyn solle. Gleichwohl hat man
nachgehends, sonderlich vermittelst des Westphälischen
Friedens, ein und anders darinnen geändert.
Vornehmlich wird darinnen abgehandelt, auf was Weise die Wahl
eines Römischen Kaysers oder Königes, welcher allda zum
öfftern das weltliche Haupt der Christlichen Welt
genennet wird, geschehen solle. So wird auch verschiedenes,
vermittelst derselben angeordnet, so den Rang, die
Zusammenkünffte, Rechte und Freyheiten der Churfürsten, und dann
ferner die Nachfolge in der Chur-Würde, auch die bey
Kayser- und Königlichen Crönungen ihnen obliegende
Aemter betrifft: Ingleichen, daß die Fürsten und Stände alle
Jahre einmahl zusammen kommen und des Reiches Bestes
beobachten sollen. Vermöge dieser Bulle muß der
Römische Kayser in Frankfurt, weil diese darinnen zur
Wahlstadt gesetzet wird, erwehlet werden. Wenn aber Krieg oder
Pest dieses verhindern, so bekommt die Stadt dieserwegen
ihre Reversalien, daß es ihr und ihren Freyheiten nicht zum
Nachtheil gereichen solle. Wie dieses an Heinrich II, der
zu Mayntz, und an Heinrich III, der zu Aachen, ingleichen
an einigen andern, so zu Cölln, Augspurg u. Regenspurg
erwehlet worden, deutlich erhellet. Ferner ist in dieser Bulle
ausdrücklich versehen worden, daß der neu-erwählte Kayser
zu Aachen gecrönet werden solle, welches aber schon lange
Zeit her nicht so genau ist beobachtet worden; wie nicht
weniger auch dieses, daß ein jeder von den Churfürsten zur
Wahlzeit über 200. Mann zu seinem gantzen Gefolge
nicht bey sich haben möge. Es muß auch die Bürgerschafft
vermöge derselben an dem Wahltage alle Fremden aus der
Stadt schaffen, bey Verlust aller ihrer Privilegien.
Uberhaupt sind noch viele andere dergleichen Verordnungen
mehr in der güldenen Bulle enthalten, welche alle zu
erzehlen, gar zu langweilig fallen dürffte. Letzlich ist noch von
dem Römer zu wissen, daß die Juden diejenige Seite des
Römerberges, oder des Platzes vor dem Rathhause, auf
welcher der Römer stehet, ohne erhebliche Ursache, bey
Straffe nicht betreten dürffen; es sey denn, daß der Jude
das Gewürtze zum Neu-Jahrs-Geschencke für E. E. Rath
überbringe, zu der Zeit darff er den geraden Weg über den
Römerberg (ehedessen der Samstagsberg genannt) in das
Rathhaus hinein und auch wieder heraus gehen. Zu
anderer Zeit aber stehet ihnen nur die hintere Römer-Thüre zum
Ein- und Ausgang offen. Nach dem Römer oder
Rathhause ist das Hauß zum Frauenstein sehenswürdig, so sonst
das grosse Braunfelß genennet wird. In diesem pfleget der
neuerwehlte Kayser zu wohnen. Unten ist ein Zimmer,
worinnen oder vor welchen die Kaufleute alle Mittage
zusammen kommen, und ihre Börse halten. In den 3.
Zeughäusern dieser Stadt trifft man viel schönes und mancherley
Geschütz an. Uber der Thür des vornehmsten darunter
stehen diese Verse:
Viel besser ist ein gewisser Fried,
Denn das man hofft auf künfftgen Sieg.
Felix haec Urbs est, quae Pacis tempore bellum
Ante Oculos ponit et quae nocitura notat.
Auf Deutsch:
Glückseelig ist die Stadt, wo man zur Friedens-Zeit,
Auch an den Krieg gedenckt, und sich darzu bereit.
Nach diesen ist zu sehen der Saal-Hoff, der neuerbaute
Fürstl. Taxische Pallast, der Frohnhoff, das nach Mayntz
gehörige Compostell, das deutsche Hauß in Sachsenhausen,
so schon im Jahr 1200. gestifftet worden, und die
darinnen befindliche Kirche zu U. L. Fr. in welcher der hohe
Altar auf Marmor-Art neu und sauber erbauet ist;
desgleichen die dasige zu Ehren der Heil. Anna gestifftete Capelle,
wie auch auf dem Kirchhofe die kleine St. Elisabeth-Capelle.
Man findet in dem grossen Saale der Commenthur-Herren
das in Lebensgrösse gemahlte Bildniß eines
Trabantens, Nahmens Ponet, dessen Länge 8. Schuh 7. Zoll
gewesen. Die Stadt-Waage, die neue Haupt-Wache,
und viele andere ansehnliche Gebäude mehr, sind
sehenswürdig. Die Privat-Häuser sind mehrentheils nur von
Holtz gebauet, und man siehet viele darunter, die Fresen
oder auf Kalck gemahlet sind. Uberhaupt sind sie alle mit
Schiefersteinen gedecket. Der Stadt-Thore sind 5, als
das Allerheiligen-Thor, das neue oder Friedberger-Thor,
das Eschenheimer-Thor, das Bockenheimer-Thor und
das Galgen-Thor. Nach dem Mayn zu sind verschiedene
Pforten, als die St. Leonhards-Pforte, das
Holtz-Pförtgen, Fahrthor, Heil. Geist Pförtgen, Metzger-Thor, und
das Fischer-Thörgen, worunter das Fahrthor die
vornehmste ist. Sachsenhausen hat zwey Thore, nehmlich
das Affen-Thor und das Schaumayn-Thor. Als
besondere Merckwürdigkeiten der Stadt Franckfurt
betrachtet man das unter dem Brücken-Thurm lincker
Hand, wenn man nach Sachsenhausen gehen will, an
der Mauer stehende Gemählde, worüber folgende
Schrifft zu lesen: 1275, am grünen Donnerstage
marterten die Juden ein Knäblein, Simon genannt, seines
Alters zwey und ein halb Jahr. Unter dieser Schrifft liegt ein
verschiedene: Historisch-Politisch-Geographischer Atlas der gantzen Welt. Johann Samuel Heinsius, Leipzig 1745, Seite 1819–1820. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HPGAtlas_04_1819.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2024)