Da stieg aber klein Friederlein von seiner Leiter herab, und geigte aber immer dabei, und nahm sein Vogelrohr unter den Arm, und lief geigend durch das tanzende Volk, und lief auf und davon. Aber die Leute tanzten ihm all nach, und tanzten ihm so lange nach, bis sie sich so müde getanzt hatten, daß sie auf die Erde niederfielen an dem Wege. Da fiel zuerst der dicke Mönch, und keuchte, so hatte er sich außer Athem getanzt, und dann fiel der Richter, dann der Henker und der Haltfest, und bald da ein Paar, und bald dort eines. Und Friederlein lief und fiedelte immerfort, bis sie alle vor Müdigkeit hingefallen waren.
Als aber nun Alle da lagen, da lachte Friederlein von Herzen in’s Fäustchen, daß er sich so durch sein Geigen vom Galgen errettet hatte, und zog fort in andre Gegenden und andre Städte, und erwarb sich dort mit seiner Geige viel Geld, und riß mancherlei Possen, daß man bald überall sprach von dem kleinen Frieder mit seiner Geige. Und er lebte so, lustig und in Freuden viele Jahre bis er ein alt Männlein war.
Als er aber starb, da sprangen all die Saiten von seiner Geige entzwei; und viele versuchtens, und zogen neue Saiten darauf. Wer aber nicht geigen gelernt hatte,
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 1. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_I_149.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)