und schaute dem Spiele des Schlängleins aufmerksam zu: „Singt noch einmal ein Lied,“ sagte da Leuthold. „Soll ich denn auch noch mit meinem Gesang meine Kraft verschwenden?“ fragte Adelbert. „Gut angewendet ist nicht verschwendet!“ antwortete Leuthold. Und Adelbert faßte seine Zither, und sang:
Du dürres Land!
Hat dich erschaffen Gottes Hand,
So laß uns nicht verderben,
So laß uns nicht hier sterben,
Verschmachtend in dem heißen Sand.
Aber er legte die Zither gleich wieder weg, und sprach: „Die Zunge klebt mir am Gaumen, ich kann nicht singen.“
Da sagte Groß Ott mit schwacher Stimme: „Seht nur das Schlänglein.“ Das Schlänglein hatte sich bei dem Gesange aufgebäumt, und mit klugen Augen zugehört; und nun schoß es pfeilschnell den Sandhügel hinauf. „Es möchte uns vielleicht recht wohl führen,“ antwortete Adelbert. „Wenn wir’s nur vermöchten, ihm zu folgen.“ Aber kaum hatten sie sich noch drein ergeben zu bleiben, so kam auch die Schlange schon wieder herabgeschossen, und brachte, in ihren Zähnen haltend, eine frische saftige Dattelfrucht, und schoß wieder fort. Da theilte Adelbert die Dattelfrucht, und gab einen Theil davon Groß Ott, und einen Theil seinem alten Leuthold. Der wollte die Labung aber nicht annehmen vor
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 138. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_138.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)