daß sie aufgeweckt wurden von dem lauten Getümmel der Ruderknechte auf dem Verdecke, und als sie hinauftraten, sahen sie den Himmel in Westen von dunkeln Wolken verdeckt, und der Steuermann rief ihnen zu, ein fürchterlicher Sturm sei im Anzuge. Zugleich kräuselten sich auch die Häupter der hohen angeschwollenen Wogen, und fern grollte ein weithin hallender Donner. Da erhob auch der Wind seine Macht und blies in die Wogen, daß sie höher und immer höher heranrauschten mit schäumenden, überschlagenden Häuptern, und an das Schiff anschlugen mit zerstörender Gewalt. Und der Donner rollte näher und näher. Da sank allen den Ruderknechten und Steuerkundigen vollends der Muth. Und als Adelbert sie schmählte um ihrer Ruchlosigkeit willen, da sprach der alte wegkundige Steuermann: „Junkherr, Euer Muth machte mich lachen, wenn man in solcher Lage zu lachen vermöchte. Ich hab’ mein halbes Leben wohl schon auf dem Meere hingebracht, und manchen Sturm schon bestanden, doch hier ist’s heute ein Anderes. Euer Muth kommt von Unkunde der Gefahr, in der wir jeden Augenblick schweben. Denn Ihr wißt wohl nicht, daß wir hier an der Stelle des Meeres sind voller Untiefen und Sandbänke; und so uns nicht Gottes sichtbare Führung leitet, muß unser Schiff zerschellen an irgend einer der Bänke, an welche der Sturm und die Wogen uns schleudern.“
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_125.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)