ich wohl tragen müssen, bis sie ruhig schläft in ihrem Grabe und bis meine Schuld einst völlig gebüßt ist und gesühnt. – Frage mich aber nicht weiter, treuer Leuthold, denn Alles kannst du nicht wissen.“
Da schwieg der alte, treue Diener, und sie saßen bald wieder zu Pferde, und zogen von dannen. Und sie zogen immer nach der Gegend hin, wo die Sonne untergeht. Da geschah es, daß sie eines Tages an einem steilen Felsenhange ankamen, auf dessen Gipfel lag eine große Stadt. Leuthold ging aber auf dem nächsten Fußpfade hinauf, um für seinen Junkherrn eine Herberge zu suchen in der Stadt. Sein Pferd hatte er unten bei Adelbert gelassen am Fuße der Felswand, und Adelbert war auch von seinem müden Rößlein gestiegen, und hatte sich auf der Wiese gelagert im Herbstgrase unweit dem Eingange einer weiten Felsenhöhle, die sich hinter hohem Schilfgrase öffnete. Und wie er gewohnt war, so that er auch jetzt. Er nahm sein süßes Saitenspiel, dem er von Tag zu Tag schönere Lieder und sanftere Töne abzulocken lernte, von dem Rücken, und spielte manch schönes Liedlein im lauen Scheine der Herbstsonne.
Aber er spielte noch nicht lange, da kamen die Rosse schnaubend herbei gelaufen mit gesträubten Mähnen und scheuen Blicken, und bäumten sich, und nur als er ihnen entgegen sang, wurden sie ruhiger und lagerten sich hinter
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_104.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)