Und er blieb sitzen bis am Morgen, bis die Sonne wieder herauf kam über die Berge. Da dachte er bei sich: „Der Himmel schließt sein fröhliches Auge wieder auf, aber Brunnenhold schlägt seine Augen nicht mehr auf am Morgen.“
Als aber seine Thiere erwacht waren, die er bei sich hatte, stellten sie sich auf und recketen sich aus. Und Brunnenstark stand auf mit ihnen unter der Eiche. Da kamen seine Thiere und schmiegten sich an ihn, mehr als sie sonst pflegten, und lenkten nach und nach in die Straße rechts von dem Scheideweg, und er folgete ihnen nach, denn er dachte nicht daran, was er that. Aber fortan zog er die Straße immer weiter und weiter, und immer weiter durch Feld und Flur, über Berg und Thal, und trieb das Jagdwesen heute hier, morgen dort. So kam er eines Tages in einen schönen Forst, und gewahrte durchs Gebüsch eine weiße Hirschin. Und er zog ihr nach mit seinen Thieren hierhin und dahin, und konnte sie nicht erlegen. Und verfolgte sie bis spät an dem Abend, bis die Sonne unterging, und die Sterne am Himmel hervortraten. Da gewahrte er sie zuletzt, daß sie zwischen zwei hohen Stämmen sich verlor. Und folgte ihr nach hinter die Stämme, und meinte sie da zu erlegen. Doch als er hineintrat zwischen die Stämme, – siehe! da lag vor ihm ein schöner grasiger Platz, rings vom Walde
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_071.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)