sie von sich weisen. Denn er glaubte sie verlange noch einmal Aufschub der Trauung. Da zerraufte sie ihre Haare und jammerte also, daß der König sich ihrer erbarmte, und fragte: „Was verlangst du?“ Und sie brachte ihr Anliegen vor, und begehrte von ihm, er möge doch einem Fremdling, der in der Stadt angekommen sei, noch am Morgen Audienz gewähren, vor seinem versammelten Rathe.
„Was kann das sein?“ fragte der König, „daß du dich also eifrig für einen Fremdling verwendest.“ Sie aber antwortete: „Er wird’s schon sagen, mein geliebter Vater. Ich darf’s nicht sagen, was mich schon Jahr und Tag drückt; denn mir bindet die Zunge ein schwerer Eid.“
Da ward der König neugierig, was das sein möchte, und versprach ihr zu willfahren, und befahl seinem Rathe, sich schnell zu versammeln. Und Helgrita schickte hinab, und ließ Brunnenhold rufen.
Und der König saß auf seinem Throne, und hielt seinen Königsstab in der Rechten, und zu seiner Rechten und Linken standen seine Räthe und die Großen seines Reiches. Da trat Brunnenhold herein mit seinen drei Thieren, die er hinter sich führte mit silbernen Ketten. Da fragte der König ernst: „Was ist dein Begehren, Fremdling? und wer bist du?“
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_056.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)