Aber Brunnenhold that nicht, als ob er’s merkte, und sprach: „Sonst hätte ich den Löwen noch einmal hinaufgeschickt, und er hätte die Prinzessin selbst herunter bringen müssen.“
„Und das hätte er hübsch bleiben lassen,“ sagte der Wirth. „Nein, nein, so klug Eure Bestie auch sein mag, darauf hätte ich Lust mit Euch zu wetten, was Ihr wollt. Darauf wette ich mein Haus und Hof, und mein ganzes Vermögen gegen die hundert Goldstücke; das läßt Euer Löwe hübsch bleiben. Denn das ist einmal so herkömmlich bei uns! eine Prinzessin darf nicht allein, ohne Begleitung, sich aus dem Schlosse entfernen.“
„Wollt Ihr wetten, so schlagt ein!“ sagte Brunnenhold, und hielt ihm die Hand dar, und der Wirth schlug ein, und sprach: „Ja, mein Haus und Hof und Alles, was ich vermag, setz’ ich daran. Nackend sollt Ihr mich aus meinem eignen Hause hinaus jagen, wenn Eure Bestie die Königstochter hierher bringt.“
Da knöpfte Brunnenhold dem Löwen das Halsband ab, und gab’s ihm an einem Ende ins Maul, und sprach: „Geh hin, und bringe die Königstochter mit dir hierher!“ Und der Löwe rannte wieder hinauf, durch alle Wachen hindurch, an allen Thüren vorbei, bis in die Küche.
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_053.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)