König Anstalten zur Vermählung seiner Tochter mit dem Kohlenbrenner. Da fiel ihm aber die edle Jungfrau vor die Füße, und bat ihn um Aufschub auf drei Jahre. Da sprach aber der König: „Sieh, mein liebes Kind, ich wollte dir wohl dein Begehren erfüllen. Allein was geschehn muß, thut man leichter gleich frisch. Und du mußt nun einmal die Gemahlin des Kohlenbrenners werden, denn er ist dein Retter, und dem hab ich dich mit meinem königlichen Worte zugesagt, und hab einen heiligen Eid darauf geschworen, den ich nicht brechen darf, wenn es auch dein Retter selbst zufrieden wäre.“
Da zerfloß sie aber in Thränen, und bat nur um ein Jahr wenigstens Aufschub. Und der König ließ den Köhler rufen, und stellte ihm die Sache vor, und fragte ihn, ob er noch mit dem Vermählungsfeste warten wollte ein Jahr. Und der Kohlenbrenner gab noch Raum, bis es Jahr und Tag sei nach der Erlegung des Drachen. Darob erfreute sich die Jungfrau und hoffte mit Zuversicht früher auf die Rückkunft ihres freundlichen Erretters mit den sanften blauen Augen und mit den schönen blonden Locken. Aber es verging ein Tag um den andern, und es verging eine Woche um die andere, und es verging ein Monat um den andern, und es war der Morgen angebrochen des Tages da die Königstochter sollte vermählt werden mit dem Kohlenbrenner,
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_046.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)