wär’s, der sich ihr nahe. Er aber sprach: „Fürchtet Euch nicht, hochedle Jungfrau, denn sehet, ich bin kommen, Euch zu erretten von dem Drachen.“ Und damit knüpfte er ihr das Tuch ab von den Augen, und sprach ihr Trost ein, und führte sie herab von dem Drachensteine.
Als er aber wieder hinaufsteigen wollte auf den Drachenstein, und die Königstochter ihn ansah, und bedachte, wie er so schöne blonde Locken habe, und wie ein mildes Licht aus seinen blauen Augen leuchte, und wie er ein so edler Jüngling sein müsse, daß er also kühnes Wagniß unternehme, da wollte sie wieder an seiner Statt hinaufsteigen, und wollte nicht gestatten, daß er sich dem Drachen darstellte. Er aber beruhigte sie durch muthiges Zureden, und stieg hinauf, und zog sein Jagdmesser, und um ihn stand der Leu und der Bär und der Wolf. Und den Thieren leuchtete ein kampflustiges Feuer in den Augen, daß man glauben mochte, sie wüßten schon, was ihrer jetzt warte.
Da verfinsterte sich der Tag, und der Drache erschien ferne am Abendhimmel, und verfinsterte die Sonne, wie eine Wolke. Und er kam immer näher und immer näher, und stand jetzt auf dem Steine, und riß den Rachen seines mittelsten Kopfes weit auf gegen Brunnenhold, ihn zu verschlingen. Aber Brunnenhold faßte einen gewaltigen Zug
Albert Ludwig Grimm: Lina’s Mährchenbuch, Band 2. Julius Moritz Gebhardt, Grimma [1837], Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimm_Linas_Maerchenbuch_II_041.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)