baren Gütern. Oft endlich geht die Begierde weder auf das Genießen, noch auf das Haben, sondern blos auf das Scheinen, Gelten und Können. Wer blos scheinen will ohne zu sein, heißt eitel. Wer alle seine Kräfte aufbietet um sich geltend zu machen, um seine wenn auch noch so willkührliche Plane auszuführen, ist ehrsüchtig. Eitelkeit und Ehrsucht sind schädliche, furchtbare Gifte, die die Bande der Menschheit zerfressen; ungöttlich sind beide, sie machen das Ich zum Götzen. Klein zwar und oft selbst lächerlich erscheint die eitele Seele, wenn sie erkannt wird, aber dennoch sind schrecklich oft die Wirkungen, die sie hervorbringt. Welche Greuel stellt uns die Geschichte nicht auf, welche lediglich gereizte Eitelkeit zur Quelle hatten? – Die Ehrsucht, stärker wie jene und reicher gewöhnlich an Mitteln, wird zwar oft von ihren eigenen Flammen verzehrt, oft aber auch braußt sie dahin, ein glühender Strom, Felsen stürzen unter ihr, über blühende Fluren macht sie verheerend sich Bahn, verwandelt in Trümmer die Wohnungen des Glücks und des Friedens, und über den Trümmern ergreift sie am Ziele den Ruhm. –
Johannes Geibel: Ermunterung zur Verläugnung des ungöttlichen Wesens. Lübeck 1807, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geibel_Ermunterung20.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)