Friedrich Neff: Liebe theuere Mutter | |
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Jüngling, der noch nichts von Belang gethan hat für das Volk, schwerer fallen zu sterben, als dem Manne deßen Tod ein großes Leben krönt, dem Jüngling dem sich die geheime Kammer der Natur u. des Geistes [allmählig] vor seinen Augen zu öffnen begonnen, dem Jüngling, dem noch eine Welt von Plänen u. Entwürfen für sein Volk die Brust erfüllt, doch das Opfer ist darum nicht kleiner eher größer. Aber auch groß u. klein verschwinden vor den Augen der freiern Geister. Liebe theuere Mutter! werfet euch nicht in die Arme der heuchlerischen Pfaffen. Es gibt keine Unsterbligkeit. Mein Andenken soll nur in Eurem Herzen u. den Herzen weniger treuer Freunde ruhen, das ist für mich genug. Auch gibt es keinen Gott der gerecht u. allmächtig ist; wie könnte er sonst eine Welt voll Unrecht geschehen laßen. Der Mensch ist das Größte im Universum, er mag sich sein Leben benützen zum Wohl der Völker, der Menschheit zu der er ja auch gehört. Thut daher den Armen Gutes u. wirket nach Euern Kräften für die Freiheit. Was meinen Augen noch Thränen, süße Thränen entlockt, das ist der Gedanke an Euch, an Euere treue Liebe u. Sorgfalt mit der Ihr mich gepfleget, mit der Ihr um meinetwegen soviel des Kummers getragen habt. Darum nehmet meine letzte Thräne, als Abschieds Kuß zum Dank für Eure Liebe. Das war ein kurzes Leben für die Freiheit. Doch je mehr der vaterländische Boden mit reinem Blute getränkt wird, desto eher u. desto schöner wird die Blume der Freiheit erblühen.
Es lebe die Freiheit, es lebe die sociale Republik.
Fr. Neff.
Behaltet diesen Brief zum letzten Angedenken; doch eine Abschrift schicket so bald als möglich meinem Freund Dr. Gihr in Dornach bei Basel.
Gruß an alle guten Republikaner u. S[........]
Friedrich Neff: Liebe theuere Mutter. Freiburg 1849, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_Neff_Abschiedsbrief_an_seine_Mutter_4.png&oldid=- (Version vom 19.2.2022)