in dem Gedanken, daß die Zugehörigkeit zu ihrer Gemeinschaft eine Garantie der Bekehrung und des rechten Glaubensstandes sei; das ist ein entschieden sektiererisches Moment. Ein berechtigter Punkt ist gewöhnlich beim Auftreten der Sekten vorhanden, besonders daß in den bestehenden Kirchen der Unglaube und die Gleichgültigkeit so vielfach überwiegt. Wie anziehend ist im Gegensatz dazu der Gedanke, wenn gesagt werden kann: Bei uns sind lauter ernste Leute, lauter Gläubige. Das lockt viele, gerade die besten an. Zu Sekten dieser Art gehört der Methodismus. In Deutschland entstand seit 1678 die Bewegung des sogenannten Pietismus. Weil in den Zeiten des 30jährigen Krieges vielfach eine tote Rechtgläubigkeit aufgetreten war, wollte Philipp Jakob Spener eine Erneuerung des kirchlichen Wesens im Leben bewirken. Er konnte nicht ins Große arbeiten, dazu war er zu bescheiden, aber er wollte doch anregen. Wir sind dem Pietismus großen Dank schuldig, besonders dem älteren, der in der Hauptsache wenigstens auf kirchlichen Bahnen ging. Einer der hervorragendsten Kirchenmänner des vorigen Jahrhunderts, E. W. Hengstenberg, hat auf dem Sterbebette noch gesagt: Keine Rechtgläubigkeit ohne Pietismus, kein Pietismus ohne Rechtgläubigkeit. Das ist unser Standpunkt. – In England entstand eine ähnliche Bewegung durch John Wesley von 1729 an, wo er als Student schon einen Verein gründete, um mehr Leben in den erstorbenen Gemeinden zu wecken. Seit 1732 verband sich mit ihm Whitefield, größer als er an Gaben und besonders an Organisationsgeschick. Auf Bekehrung drängend, durchreiste er England. In 30 Jahren hat er 18 000 Predigten, meist unter freiem Himmel gehalten. Anfangs wollte er nur einen Verein bilden ohne Austritt aus der Kirche, allmählich kam er zur kirchlichen Neubildung und spottweise wurde seine Lehre und Weise Methodismus genannt, weil er nach einer bestimmten Methode verfuhr. Die Methodisten haben sich später gespalten, weil Wesley gegen die Prädestination auftrat und auch wegen der Verfassung. So gehören die in Deutschland tätigen Methodisten dem bischöflichen Methodismus an. Whitefields öfter ausgesprochener Grundsatz war: „Die Welt ist meine Pfarrei.“ Großes hat der Methodismus auf dem Gebiet der Heidenmission gewirkt. Auch die alte Christenheit betrachtete er als Missionsgebiet, in das er gerufen und berechtigt sei einzutreten. Die erste Frage, die an Glieder unserer Kirche gerichtet wird, heißt: „Bist Du bekehrt?“ Wenn die Antwort heißt: Ja, dann folgt die weitere Frage: „Wann hast Du dich bekehrt?“ Zeit und Stunde soll man angeben können. Die Taufe wird gering geachtet, die Wiedergeburt ganz im Sinne von Bekehrung gefaßt, was falsch ist. Die Bekehrung muß sich äußerlich kenntlich vollziehen durch einen Bußkampf dem ein Durchbruch zu freudigem Gnadengefühl spürbar folgt. Es fehlt das Verständnis für das allmähliche Werden des Christenlebens und das
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_128.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)