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Seite:Eichhorn Einsegnungsunterricht 1917 109.png

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uns wohnt. Die Heilsgewißheit aber an sich ruht nicht auf unserm Tun, auch nicht auf der Heiligung oder Lebenserneuerung, sondern auf dem Zeugnis des heiligen Geistes in Wort und Sakrament. Eben durch die irrige Auffassung der Reformierten über die Heilsgewißheit tritt doch ein gesetzlicher, willkürlicher Zug, der nicht zu verkennen ist, ins reformierte Christentum herein. Von diesem Gesichtspunkt aus kann man wohl von einem Unterschied lutherischer, reformierter und katholischer Sittlichkeit reden.


II.

Damit kommen wir auf die Früchte, welche die Kirche der Reformation durch ihre Predigt und Lehre zeitigen sollte und wollte im Leben der einzelnen Christen.

Wenn wir von einem Unterschied katholischer, lutherischer und auch reformierter Sittlichkeit reden, wollen wir gewiß von jeglicher Ueberhebung uns fernhalten und immer daran denken: „Wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert.“ Wir können von beiden, Katholischen und Reformierten vieles lernen. Von den Katholiken größeren Fleiß in der Betätigung der Zugehörigkeit zur Kirche und in den Opfern gerade für kirchliche Zwecke, von den Reformierten mehr Eifer für die Werke des Reiches Gottes. Doch werden wir festzustellen haben, daß die evangelisch-lutherische Sittlichkeit etwas Nüchterneres und Klareres hat als die katholische und die reformierte. Die römische Kirche hat in allem, in ihren Lebensäußerungen und in ihrem Einfluß auf das Leben ihrer Glieder, den Zug des Sinnenfälligen. Da tritt alles äußerlich und merkbar vor Augen. Kommt man in katholische Gegenden, so zeigen uns die Kruzifixe an den Straßen wo wir sind. Nicht als ob das etwas Verwerfliches wäre; es ist etwas Schönes, es imponiert, wenn z. B. auf der Zugspitze oder dem Rigi oder dem Watzmann ein großes Kreuz prangt. Mir sagte ein alter Führer, der unzählige Male den großen Watzmann bestiegen hat, als 9jähriger Knabe sei er zum erstenmal barfuß hinauf gelaufen. „Das war ein Gottesdienst“ sagte er, „man hat damals gedacht, man tue ein besonders gutes Werk, wenn man hoch oben vor dem Kreuz ein Vaterunser betete.“ Es ist viel Katholisches hierbei eingemengt, aber doch auch manches Schöne darin enthalten. Wir wissen, daß auch Löhe auf Errichtung von Kruzifixen innerhalb seiner Pfarrei aus war, deren wir uns heute noch erfreuen. Es ist immerhin ein Vorzug, wenn man in katholischer Gegend durch die Kreuze am Wege an das Leiden und Sterben des Herrn und durch mancherlei Unterschriften unter den Kreuzen an das eigene Ende gemahnt wird. Ebenso mag es auch besonderen Eindruck machen, wenn in mancher katholischen Gegend noch der Gruß „Gelobt sei Jesus Christus“ entgegenschallt, wenn man die Kirchen offen findet und Betende darin erblicken kann und wenn auf offenen Straßen