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Seite:Eichhorn Einsegnungsunterricht 1917 096.png

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Daneben entstanden dann sehr früh auch neue christliche Dichtungen wie eben die vorhin genannten Hymnen und Oden, besonders Festlieder. Man nimmt an, daß das Wort 1. Timotheus 3, 16: „Kündlich groß“ einem alten Hymnus angehört und manche meinen, daß auch Apostelgeschichte 4, 24-30, jenes Dankgebet der Gemeinde, ursprünglich ein Lied gewesen sei, was ich dahingestellt sein lasse. Jedenfalls hat sich das Lied in der Kirche bald einen Platz erobert und besonders kennen wir eine große Reihe lateinischer Hymnen, die zum Teil auch auf deutschem Boden entstanden sind, wie der Mönch Notker Labeo von Skt. Gallen das lateinische Lied: Media in vita „Mitten wir im Leben sind“ gedichtet haben soll beim Anblick des gefahrvollen Baues einer Brücke über einen Abgrund. Auch hier ist wieder Karl der Große zu nennen als Förderer des freilich noch lateinischen Kirchengesangs. Er hat mit scharfem Blick die Orgel als das Instrument erkannt, das für die Leitung gottesdienstlichen Gesanges geeignet ist und hat sie in den Kirchen eingeführt. Auch in diesem Punkt knüpfte Luther wieder an ihn an.

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Da vor der Reformation der ganze Gottesdienst lateinisch war, wurden auch die lateinischen Hymnen im Gottesdienst ausschließlich gebraucht. Nur die Deutschen ließen es sich nicht völlig nehmen dann und wann deutsche Lieder auch im Gottesdienst zu singen. Der Ostergesang: „Christ ist erstanden“ in mannigfacher Ausprägung und der erste Vers des Weihnachtsliedes: „Gelobet seist Du Jesu Christ,“ sind beispielsweise vorreformatorisch. Außerdem gibt es noch eine Reihe anderer sogen. Leisen, wie z. B. „In Gottes Namen fahren wir,“ was einst diejenigen gesungen haben, die ostwärts zogen um die jetzigen Ostseeprovinzen und Preußen christlich zu besiedeln. Es gab also eine Anzahl deutscher Verse, die die Gemeinde trotz der Mißbilligung der Kirche zu singen sich nicht nehmen ließ. Hier hat nun Luther zum Bibelbuch der evangelischen Kirche auch das Gesangbuch geschenkt. Aus der Tiefe seiner glaubensvollen Seele brach zum erstenmal mit Gewalt ein dichterisches Erzeugnis hervor, als 1522 zwei junge Mönche Johann Esch und Heinrich Voes in Antwerpen den Märtyrertod erlitten. Merkwürdigerweise hat Luther das Lied wie weissagend mit den Worten begonnen: „Ein neues Lied wir heben an, das walt Gott unser Herre, zu singen was Gott hat getan, zu seinem Lob und Ehre.“ Im folgenden Jahr – er war also gerade 40 Jahre alt – hat er sein erstes eigentliches Kirchenlied verfaßt; es ist das Lied: „Nun freut euch lieben Christen gmein,“ das im Jahr 1523 entstanden ist. Im folgenden Jahr veröffentlichte er zuerst eine Sammlung geistlicher Lieder. Viele waren es noch nicht, am Ende aber der Reformationszeit war ihrer Zahl schon stattlich herangewachsen. Nirgends zeigte sich Luther so groß in seinem geschichtlichen Sinn