und seine gesetzliche Enge hinausstrebte. So hat auch der neutestamentliche Gottesdienst fast mehr an den Synagogengottesdienst als an den Tempelgottesdienst sich angeschlossen, obwohl das Alte Testament dem neutestamentlichen Gottesdienst auch durch den Tempelgottesdienst im Psalmengesang schönes dargereicht und damit den Anfang und die Grundlage eines liturgischen Gottesdienstes gegeben hat. 2. Mose 12, 26 (Wenn eure Kinder werden zu euch sagen: Was habt ihr da für einen Dienst?) findet sich in hebräischer Sprache erstmals das Wort, das im Neuen Testament mit Liturgie (öffentlicher Dienst) wiedergegeben wird vergl. Ap.-G. 13, 2 von der Gemeinde in Antiochien: „Da sie aber dem Herrn dieneten und fasteten“, also heiligen Gottesdienst verrichteten. Im Neuen Testament war nun der wahre Gottesdienst ermöglicht, der Gottesdienst, der im Geist und in der Wahrheit geschah. Im Alten Testament hatte das Gesetzeswort gegolten (2. Mos. 20. 24) „denn an welchem Ort ich meines Namens Gedächtnis stiften werde, da will ich zu dir kommen und dich segnen“. Im Neuen Testament dagegen heißt es Matth. 18, 20 „Wo 2 oder 3 versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“. Das kann der Herr erfüllen durch seinen Geist, der wirksam ist in Wort und Sakrament. Kein Gesetz über den Gottesdienst hat der Herr seiner Gemeinde gegeben; nicht einmal über den Sonntag hat er irgend eine Vorschrift erteilt. Nicht Forderungen, nicht Gesetze wollte er seiner Kirche zurücklassen, Gaben vielmehr ließ er ihr und hat ihr alles geschenkt, was die Gestaltung eines lebendigen Gottesdienstes im Geist und in der Wahrheit ermöglichte. Zu dem, was das Alte Testament bot durch die Psalmen und den Synagogengottesdienst, bei welchem schon für jeden Sabbat 2 Lektionen festgesetzt waren, eine aus dem Gesetz und eine aus den Propheten, läßt der Herr seiner Gemeinde das Große zurück: sein Wort, die heiligen Sakramente, das Schlüsselamt, überhaupt das Amt des Neuen Testaments, Recht und Freiheit des Gebetes und sogar auch ein wörtlich fixiertes Gebet im heiligen Vaterunser. So hat der Herr seiner Gemeinde das zurückgelassen, woraus der Gottesdienst des neuen Bundes sich gestalten konnte unter dem doppelten Gesichtspunkt dessen, was Gott den Seinen gibt in Wort und Sakrament und was die Gemeinde ihm wieder darbringt in Lob und Bitte. Das eine sind die sakramentalen oder Gnade darbietenden, das andere die sakrifiziellen oder Opfer darstellenden Bestandteile des Gottesdienstes. Und es zeigt sich ferner der Unterschied, daß das Amt des Wortes sein Werk übt und doch auch die ganze Gemeinde beim Gottesdienst soll tätig sein; dann wieder die freie Bezeugung des Heils durch des Geistes Wirkung und doch wieder die gebundene Form, durch das, was der Herr selbst in klaren, bestimmten Worten seiner Gemeinde dargeboten hat. Eine Vorstellung vom Gottesdienst der apostolischen
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_090.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)