Priester führte, ist Melchisedek, jener merkwürdige Mann, König zu Salem, der den Abraham begrüßte auf der Rückkehr von der Schlacht gegen Kedor Laomor. Der hebräische Ausdruck „Priester“ bedeutet einen der steht, vor Gott steht und auch für andere vor Gott tritt.
Die Einfachheit und Freiheit des patriarchalischen Gottesdienstes mußte später dem gesetzlichen Gottesdienst weichen. Da waren die genauesten Vorschriften gegeben über die heiligen Personen – Priester, Leviten –, über die heiligen Handlungen – Reinigungen, Opfer jeder Art –, über die heiligen Orte – die Stiftshütte, späterhin den Tempel –, über die heiligen Zeiten durch die Gesetze über die Feste. Was bisher freiwillig aus dem Herzen hervorbrach, wurde gesetzlich geordnet, ja zum Teil wie ein gesetzliches Joch dem Volke auferlegt. Die Neigung des Volkes zu falschem Gottesdienst beweist, daß dieser Gottesdienst nicht von selbst im Volk erwuchs, sondern ihm als göttliche Forderung auferlegt war. Im Zusammenhang damit gab es einen besonderen Priesterstand und Priesterstamm. Gleichzeitig mit dem Priestertum entsteht auch die Prophetie, der gegeben war in freier Geisteswirkung dem Volk daneben das Wort zu verkündigen, aus dem später die Schrift erwachsen könnte.
Es war ein Fortschritt in der Gottesdienstordnung des Alten Bundes, als durch den König nach dem Herzen Gottes in Jerusalem der Gottesdienst weiter ausgestaltet wurde, erst durch David in der Stiftshütte und dann durch Salomo im Tempel. Was David und Salomo hinzufügten, war besonders der heilige Gesang und die heilige Musik und damit war eine schon weitere Grundlage des neutestamentlichen Gottesdienstes gegeben. Nun da der Gottesdienst in den Mittelpunkt des Volkes gestellt war, konnte der Tempel die Stätte werden, da das Volk zusammen kam und wie freute sich das Volk darüber. „Ich freue mich des, das mir geredet ist“ Ps. 122. Da rühmen sie die schönen Gottesdienste des Herrn, die ihre Seele labten. Freilich diese schöne Ausgestaltung des alttestamentlichen Gottesdienstes, entging auch mancherlei Verderbnis durch Abgötterei und falschen Gottesdienst nicht.
Wieder einen Schritt weiter geht der Gottesdienst in der babylonischen Gefangenschaft. Da war Israel 2 Menschenalter hindurch ohne Tempel, ohne den geordneten Opferdienst des alten Bundes; aber dafür nahm es das Wort, das durch die Propheten geschrieben war, mit hinaus in die babylonische Gefangenschaft und es bildete sich – doch wohl in der babylonischen Gefangenschaft – der Synagogengottesdienst, der darin bestand, daß man sich, wo Juden in größerer Zahl wohnten, am Sabbat zusammenfand zum Lesen des Gesetzes und der Propheten. Ohne besonderes göttliches Gebot, wie von selbst, entstand dieser Synagogen-Gottesdienst, von dem man sagen kann, daß in ihm der alte Bund über sich selbst
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_089.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)