wurde besiegt und gefangen genommen und der Kaiser glaubte jetzt im Ernst der evangelischen Bewegung ein Ende machen zu können. Um jene Zeit verfaßte Nikolaus von Amsdorf das Kinderlehrgebet um Erhaltung des reinen Worts: „Wir danken dir, lieber, himmlischer Vater, daß du uns das selige Licht deines Wortes so gnädig angezündet und bisher hast leuchten lassen. Wir bitten dich, du wollest zu dieser Zeit ob solchem Lichte gnädiglich halten, dem Satan und der bösen Welt nicht gestatten, daß sie es auslöschen. Laß dich unser erbarmen, lieber Vater, über welche solcher Jammer sonderlich würde ausgehen. Wir sind noch jung und unerzogen und bedürfen für und für, daß wir in deinem Worte unterrichtet werden und dich von Tag zu Tag je länger, je mehr und besser erkennen lernen. Nun aber gehen die Feinde deines Wortes damit um, daß sie uns in Abgötterei und Finsternis führen und daß Wort unß gar entziehen. Solchem Jammer lieber Vater, wehre du, um deines Namens willen. Du sprichst, du wollest dir ein Lob zurichten aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge. Um solche Gnade bitten wir dich jetzo, lieber Vater! Gib deiner Kirche Frieden und wehre allen Feinden deines Worts, die uns bedrängen, auf daß wir und unsere Brüder und Schwestern, die täglich heranwachsen, solch gnädiges Licht auch haben und dich mit unserm Gebet früh und abends loben, anrufen und bekennen, der du unser einiger Trost bist mit deinem Sohn, unserm Herrn Christo und dem heiligen Geiste. Amen.“
Es schien damals, als ob das Licht des Evangeliums wieder erlöschen sollte. Zugleich gab es die größten Uneinigkeiten auf dem Gebiete des Glaubens und der Lehre unter den Evangelischen selbst. Infolge der Nachgiebigkeit Melanchtons bei der kaiserlichen Anordnung des Interim, durch daß eine Menge katholischer Gebräuche wieder eingeführt werden sollten, kam es zum sogenannten adiaphoristischen Streit, welche Dinge als indifferent zu tragen oder als Verleugnung der Wahrheit zu unterlassen seien. Infolge des Eindringens reformierter Lehre entstand der kryptokalvinistische Streit über das hl. Abendmahl. Dann der sogenannte majoristische Streit zwischen Major und Amsdorf über Glauben und gute Werke, auf den wir noch zu reden kommen. Dann ist zu nennen der synergistische Streit zwischen Flacius und Striegel über die Mitwirkung des menschlichen Willens in Sachen der Bekehrung. Die Uneinigkeit und das gegenseitige Mißverstehen war groß. Da haben sich 3 Männer ein großes Verdienst um die Kirche erworben, daß waren D. Jakob Andreä, Kanzler in Tübingen, D. Nikolaus Selnecker aus Hersbruck, uns wohl bekannt als der Verfasser der Lieder: „Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ“ und „Laß mich dein sein und bleiben“, damals Professor in Leipzig und D. Martin Chemnitz, Superintendent in Braunschweig. Diese Männer vereinigten sich
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_080.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)