Artikel griff nun Melanchton zurück. In Schwabach hatte man 17 Artikel daraus geformt und man kann sie in der Augustana noch heute wohl unterscheiden, da der 17. Artikel von der Wiederkunft Christi und den letzten Dingen handelt, also eigentlich abschließt. Melanchthon fügte nur noch einige Artikel ergänzend hinzu: vom freien Willen, von der Ursache der Sünde, vom Glauben und guten Werken, vom Dienst der Heiligen. So ruht der 1. Teil der Augsburgischen Konfession (die Artikel des Glaubens und der Lehre) auf Luthers in Marburg aufgestellten und in Schwabach erweiterten Artikeln. Der 2. Teil von den Mißbräuchen, (die geändert sind) geht auf das Torgauische Buch zurück, das Luther und seine Genossen dem Kurfürsten von Sachsen in Torgau überreicht hatten. Da sind die Mißbräuche verzeichnet, die zu ändern seien: Von beider Gestalt des Sakraments – vom Ehestand der Priester – von der Messe – von der Beichte – vom Unterschied der Speisen – von Klostergelübden – von der Bischöfe Gewalt. So ist die Augsburgische Konfession ein wirklich kirchliches Bekenntnis, nicht das Produkt eines Einzelnen, sondern Erzeugnis kirchlicher Erkenntnis und gemeinsamer Arbeit, klar in der Lehre, mild in der Fassung mit steter Gründung auf die Schrift und Bezugnahme auf die alte Kirche. Wie klug ist z. B. daß Melanchton den 21. Artikel: Vom Dienst der Heiligen, nicht dem 2. Teil von den abzuschaffenden Mißbräuchen einverleibte, sondern zum 1. Teil rechnete. Der Kaiser war als echter Katholik ein großer Heiligenverehrer, darum wollte man ihn nicht vor den Kopf stoßen und es wird im 21. Artikel zuerst gesagt, daß die Verehrung der Heiligen nicht abgeschafft sei, da man sich die Heiligen zum Vorbild vor Augen stelle, wie z. B. kaiserliche Majestät sich den König David zum Vorbild nehmen könne. Nur die mittlerische Stellung und die Anrufung der Heiligen sei abgelehnt. So ist das Bekenntnis überaus klug, fein und milde abgefaßt. Luther hat es gebilligt, allerdings mit der Bemerkung, daß er so leise nicht treten könne, wie er sie auch im Scherz die Leisetreterin genannt hat. Gott hat es gefügt, daß hier klar und lehrhaft ohne viel Polemik ein Bekenntnis der evangelischen Wahrheit zustande kommen sollte. Wer hat es nun zunächst abgelegt? Die Theologen erklärten sich bereit zu unterzeichnen, aber die Fürsten nahmen es für sich in Anspruch. „Wir wollen unsern Herrn Christum auch bekennen“ sagte einer von ihnen. Sie durften sich als Reichsstände dem Kaiser und Reich gegenüber als die berufenen Vertreter der evangelischen Sache betrachten.
Die Unterschriften lauteten:
Ew. Kaiserl. Majestät
untertänigste
Johannes, Herzog von Sachsen, Kurfürst
Georg, Markgraf zu Brandenburg
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_077.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)