schrieb, stellte er diese drei Hauptstücke voran und fügte ihnen nur die herrlichen Erklärungen bei. Ebenso beim Kirchenlied werden wir sehen, wie Luther außerordentlich schön und richtig das Vorhandene benützte. Er hat zum Teil an alte lateinische Hymnen und an vorhandene deutsche Verse oder an Psalmen angeknüpft, auch die Melodien vielfach der vorreformatorischen Zeit entnommen sodaß wir manche der gewaltigsten Melodien der vorreformatorischen Kirche verdanken. So ist es für uns erhebend, wenn wir in manchen Bestandteilen der Liturgie uns mit der ältesten Kirche zusammenfinden, wie etwa das sonntäglich von uns gesungene Laudamus auf das IV. Jahrhundert zurückgeht und wenn wir auch in Taufe und Form der Trauung an altkirchliche Vorlagen uns anschließen. Damit wird die Einheit der Kirche Gottes auch äußerlich und tatsächlich festgehalten. Dieser geschichtliche, konservative Zug der Reformation Luthers ist besonders dankenswert, in ihm liegt recht eigentlich der kirchliche Charakter unserer lutherischen Reformation begründet.
Wir sind ferne davon, Luther zu einem Heiligen stempeln zu wollen. Wir erkennen manche Mängel an ihm an und manches Unvollendete. Aber was Luther nachgesagt wird von groben Sünden oder häßlichem Lebensausgang, das ist völlig unwahr. Besonders die Rede von seinem Selbstmord ist schon 1 Jahr vor seinem Tode von seinen Feinden verbreitet worden und er gab die betreffende Schrift zum Spott selbst heraus. Er führte ein Leben großer Arbeit, aber doch auch unbefangener Fröhlichkeit in seiner Familie, in Freundschaft und Verkehr. Wie dieser Mann voll Geistes und Kraft war, beweisen die Worte, die er während des Essens sprach. Er hatte stets eine große Tischgesellschaft um sich, denn er hatte Studenten, Kandidaten und junge Doktoren in seinem Hause wohnen, die natürlich auch seinen Tisch teilten. Die Aussprüche, die er hier tat, sind gesammelt worden und diese Tischreden Luthers, die einige Bände füllen, gehören zu dem Schönsten was wir von ihm haben, wenn sie auch nicht auf völlige Genauheit Anspruch machen können, da sie den Weg über das Lateinische zu uns gemacht haben. Wie harmlos konnte er fröhlich sein. Nach Tisch mußten die jungen Leute ein Kegelspiel machen. Luther schob die erste Kugel selbst. Da ließ er sich gerne von den jungen Leuten auslachen, denn er fehlte meist, sagte aber auch dagegen von den gescheiten Doktoren, die 12 Kegel fällen könnten, da doch nur neune dastünden. Solche und ähnliche Scherze haben wir von ihm mehr. Als durchaus innerlich geheiligter und doch zugleich natürlicher Mann tritt er uns entgegen, aber seine Mängel verkennen wir deshalb durchaus nicht. Er war heftig, derb und in mancher Streitschrift zu scharf. – Ein bedauerlicher
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_055.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)