Er wußte durch Gewandtheit und Liebenswürdigkeit Luther soweit zu bringen, daß er versprach zu schweigen, freilich wie Luther klug hinzufügte, „wenn auch seine Gegner schweigen würden.“ Eck vermochte aber nicht zu schweigen. Er griff zwar zunächst nicht Luther selbst an, sondern seinen Amtsgenossen, den damals ihm gleichgesinnten D. Karlstadt. So ging der Streit doch weiter und es kam nach der Weise der damaligen Zeit zu einer öffentlichen Disputation über die Sache, die im Jahre 1519 vom 27. Juni ab in Leipzig 3 Wochen lang stattfand. Erst disputierte Eck 8 Tage lang mit Karlstadt, der sich nicht immer zu helfen wußte, dem gewandten Eck gegenüber, der besonders in den Kirchenvätern sehr bewandert war. Dann traten Luther und Eck 14 Tage lang sich einander gegenüber. Zu einem wirklichen Ergebnis führte diese Disputation nicht. Die Akten wurden an die Universität Paris geschickt, die sich aber hütete, eine Entscheidung zu geben. Für Luther hat diese Disputation ein wichtiges Ergebnis gezeitigt, nämlich gegenüber den Angriffen seines Gegners wurde Luther zu einer doppelten Erkenntnis gebracht, die er alsbald offen aussprach. Einmal, daß nicht alles, was Hus gelehrt hatte, Ketzerei sei, es sei vielmehr, wie er sagte, auch feine göttliche Wahrheit dabei gewesen. Das sagte Luther, weil ihm vorgeworfen wurde, er lehre die vom Konzil in Konstanz verworfene Irrlehre des Hus. Er hat sich dadurch den Herzog Georg von Sachsen zum Feind gemacht, der, als Luther dies aussprach, mit einem Fluch der damaligen Zeit dazwischenrief: „Das walt die Sucht!“ Die andere Erkenntnis aber, zu der Luther geführt wurde, war die, daß auch Konzilien irren können. Das brachte den Herzog Georg vollends in Harnisch und er ist der unversöhnliche Feind Luthers geblieben solange er lebte. Luther ist aber dadurch umso klarer auf die Schrift gewiesen worden. Auch Kirchenversammlungen können irren, wenn ihre Behauptung mit der Schrift nicht zusammenstimmt.
Noch mehr wurde Luther gedrängt sich auf die Schrift zu gründen durch den Kampf gegen die Schwarmgeister 1522. Bekanntlich war es das Auftreten der neuen Propheten aus Zwickau, das Luther veranlaßte, gegen den Willen des Kurfürsten sein Asyl auf der Wartburg zu verlassen, um in Wittenberg die Ordnung wieder herzustellen. Er wurde der Bewegung Herr, indem er eine Woche hindurch jeden Tag predigte und sich auch selbst nach Zwickau begab, wo er vom Fenster des Rathauses aus zu einer nach Tausenden zählenden Menge redete. Im Kampf mit diesen Schwarmgeistern, die behaupteten: der Geist wohne in ihnen und durch den Geist hätten sie die klare Erkenntnis ohne die Schrift und über die Schrift hinaus, ist Luther noch viel mehr zur Betonung der Schrift geführt worden, der Schrift allein. So ist er dazu gelangt, schon am 18. April 1521 vor Kaiser und Reich feierlich zu erklären: wenn er nicht aus der Schrift widerlegt werde, könne er nicht widerrufen.
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_053.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)