weil er nach seinem Urteil die Kirche schädigte. Seit dem Jahre 400 etwa nahm Augustin, der bekanntlich in Nordafrika gelebt und gewirkt hat, den Kampf gegen ihn besonders auf, anfangs mit geistlichen Waffen; später leider verschmähte auch er nicht die Anwendung staatlicher Gewalt und er hat leider zum ersten Mal das Wort des Herrn: „Nötiget sie hereinzukommen!“ so ausgelegt, als ob damit ein Zwang und Anwendung von Gewalt gestattet sei – ein Irrtum des sonst großen und mehrfach evangelisch gerichteten Mannes.
Nun schreiten wir über Jahrhunderte hin, in welchen die größte äußere Veränderung in der Welt und Kirche geschah. Die Stürme der Völkerwanderung brausten über die abendländische Christenheit hin; die deutschen Völker wandten sich dem Christentum zu und stellten ihm neue große Aufgaben kirchlicher Erziehung. Aber die Kirche ist mehr und mehr eine äußerliche Gesetzeskirche geworden; doch fehlte es auch jetzt an Entgegenwirkungen nicht un so tritt uns im früheren Mittelalter die Erscheinung der Katharer entgegen, die zuerst im Süden Frankreichs auftraten. Katharer heißt die Reinen; so bezeichneten sie sich, weil sie eine reine Kirche zu sein für sich in Anspruch nahmen. Aus dem Wort Katharer ist das Wort Ketzer entstanden. Die Franzosen sagten für Ketzer bougres d. i. bulgari; das kommt auch aus jener Zeit, weil Bulgarien und überhaupt der Orient, also die griechische Kirche, der Mutterboden dieser und ähnlicher Sekten gewesen ist. Die Katharer wirkten vor allem auf Vollkommenheit und Reinheit des Lebens hin. Sie verwarfen die äußeren Gnadenmittel der Kirche und hielten sich nur an das Gebet als das einzige Gnadenmittel. Dazu trieb sie der Gegensatz gegen das Kirchentum. So lehrten sie das was die Augsburger Konfession im 5. Art. verwirft, daß man durch eigene Bereitung, Gedanke und Werk ohne das Wort den hl. Geist erlangen könne, wobei auch Art. 8 zu vergleichen ist. Die Katharer schieden sich und ihre Gemeindeglieder in Hörer, in Glaubende und in Vollkommene. Da tritt uns zum erstenmal ein Gedanke entgegen, der fernerhin die Sekten je und je gekennzeichnet hat, die Lehre von einer möglichen Sündlosigkeit und Vollkommenheit schon in diesem Leben. In den Stand der Vollkommenheit wurde man aufgenommen durch das Konsolamentum, eigentlich Trostmittel, etwa eine Art Geistestaufe mit Handauflegung, wieder ein Gedanke, der bis in unsere Zeit uns verfolgt, von der Geistestaufe, die man erlangen müsse im Unterschied von der Wassertaufe. Die Vollkommenen mußten ehelos leben und völlig abstinent sein, d. h. von jeglichem Genuß geistiger Getränke sich enthalten. Das ist das schwärmerische Moment, das in dieser Gemeinschaft sicher liegt neben großem Ernst des Lebenswandels. Die Katharer wurden von der Kirche furchtbar verfolgt. Viele von ihnen bestiegen den Scheiterhaufen und zwar freudig. Die drei bisher genannten Erscheinungen: Montanisten,
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_035.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)