sich knüpft, zu den herrlichsten Erscheinungen der ganzen Geschichte der Kirche zählt, daß die Tage der Reformation ein Zeitraum sind, der schon in der Erinnerung an denselben unser Herz höher schlagen läßt, daß die Männer der Reformation – Luther voran – sicherlich zu denen gehören, auf welche das Wort Daniels angewandt werden darf: „Die Lehrer werden leuchten wie des Himmels Glanz und die so viele zur Gerechtigkeit weisen wie die Sterne immer und ewiglich,“ ja auf welche das Wort des Hebräerbriefes geht: „Gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben, welcher Ende schauet an und folget ihrem Glauben nach.“ Wie anders urteilen aber nun die Angehörigen der päpstlichen Kirche, die Anhänger Roms! Alle Schäden, alle Mißstände, insbesondere alle Spaltung der Kirche werden dort auf Rechnung der Reformation geschrieben. Wir leugnen ja nicht, daß dies Werk auch Auswüchse gezeitigt hat. Wo gäbe es eine tiefergehende geistige Bewegung, bei der das nicht der Fall wäre? Wir werden seiner Zeit hören vom Auftreten der Schwarmgeister und vom Bauernaufstand, aber auch hören, daß die Reformation diese Auswüchse abgestreift und abgestoßen hat. Wir leugnen auch nicht, daß die Reformation eine weitere Spaltung in der Christenheit nach sich zog, aber die Schuld trägt das Papsttum, das die Wahrheit nicht annahm. – Daß aber eine Reformation der Kirche nötig war, davon haben wir uns doch wohl bei dem gestern gegebenen Ueberblick über die Entwicklung der Kirche durch das Mittelalter und bis zur Reformation hin überzeugt. Es läßt sich aber die Notwendigkeit einer Reformation auch noch auf andere Weise nachweisen, nämlich durch einen Blick auf die Zeit nach der Reformation, dadurch daß die römische, die päpstliche Kirche selber von der Reformation gelernt und durch die Reformation innerlich gewonnen hat.
Lange Zeit allerdings haben die ganz weltlich gesinnten Päpste, die zur Zeit der Reformation regierten, ein Verständnis dafür gehabt, daß in der Reformation der Notschrei des von der Sünde geängsteten Gewissens emporstieg, sie haben keine Ahnung gehabt von der Bedeutsamkeit dieser geistlichen Bewegung. Erst Papst Paul IV. der von 1555-1559 regiert hat, ist es gewesen, dem zuerst durch eine böse Erfahrung am eigenen Fleisch, nämlich an seinem Neffen, der in seiner Umgebung war, die Augen aufgingen; er gab selber die Losung aus „Reform“ und die katholische Kirche hat darnach in vieler Hinsicht, wie wir später sehen werden, sich innerlich gefestigt und mehrfach erneuert. Ist das nicht ein deutlicher Beweis für die Notwendigkeit einer Reformation? Aber nicht nur die Zeit nach der Reformation beweist uns das, sondern auch die vorhergehende Zeit gab selbst lautes Zeugnis davon. Wie einmütig ging durch die Kirche des Abendlandes schon lange – mehr
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_031.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)