Entwicklung einigermaßen klar machen. Ich erwähne dabei, daß man populär (d. i. volkstümlich) den Gang der kirchengeschichtlichen Entwicklung der Jugend klar machen kann an der Hand des von uns vorhin gesungenen Liedes des Johann Eusebius Schmidt, das eine Umdichtung der 7 Sendschreiben der Offenbarung darstellt, an dessen Versen man aber gut den Gang der kirchlichen Entwicklung zeigen kann. Die Zeit der ersten Liebe, die Verfolgungszeit, die Zeit der Lehrstreitigkeiten, die Zeit, da die Welt in die Kirche eintrat: „Nimm nicht an das Bild des Drachen...“ und da nur noch wenige in der Kirche die Wahrheit festhielten, bis es heißen kann: „Zion brich herfür.“ Das nur nebenbei als Andeutung, wie man der Jugend sehr einfach den Gang der kirchengeschichtlichen Entwicklung darlegen kann. Wir müssen diesen Gang tiefer zu erfassen suchen. Wir sagen darüber Folgendes.
Die älteste Gestaltung der Kirche, wie sie uns in den Briefen der Apostel entgegentritt, kann man die apostolische Gemeindekirche nennen. Was will das sagen? Daß damals wirkliche Gemeinden Christi vorhanden waren, ihrer Gabe und ihrer Aufgabe bewußt. Wo sind jetzt solche ihrer selbst bewußten christlichen Gemeinden in Stadt und Land? Wenn man auf dem Lande von Gemeinde redet, wird jedermann nur an die politische Gemeinde oder die Gemeindeversammlung denken. In Städten weiß man überhaupt nichts von Gemeinden; dort sucht man einen Prediger auf, der einem paßt. Nur in Anstaltsgemeinden, in guten Diaspora-Gemeinden und in separierten Gemeinden findet sich in der Gegenwart ein wirkliches Bewußtsein der vollen Zusammengehörigkeit und der Verantwortlichkeit des einen für den andern und die rechte Fürbitte für die, die Diener des Amtes sind. Wie anders war es in der apostolischen Gemeinde. Da gehörten die Gemeindeglieder nicht durch Abstammung und Geburt der Gemeinde an, sondern durch freien Entschluß. Sie hatten sich bekehrt von der Finsternis zum Licht. So war die Gemeinde damals alles; die Gemeinde in Jerusalem war anfangs täglich beisammen; später mußten sich die gemeindlichen Zusammenkünfte auf den Sonntag beschränken; aber dann war jedesmal die ganze Gemeinde versammelt. Der Gottesdienst vollzog sich unter Beteiligung der ganzen Gemeinde und[WS 1] erreichte seinen Höhepunkt in der Feier des heiligen Sakramentes. Auch Wortverkündigung war Sache der Gemeinde, insofern jeder ob auch unter Leitung der Aeltesten das Wort ergreifen durfte. Jeder Christ war, wie wir schon gehört haben, zugleich Missionar. Die Gemeinde unternahm selbst von Antiochien aus das Missionswerk; doch die Gemeinde nicht ohne das Amt der Apostel und das Amt nicht ohne Gemeinde. An Mängeln hat es auch damals nicht gefehlt, ja wir wissen es, daß man die Notwendigkeit festerer Zucht empfand.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: uud
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_022.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)