die Offenbarungsweise Gottes fortschritt, zur Prophetie, wo er zu seiner Offenbarung menschlicher Werkzeuge sich bediente. Und der Herr Jesus Christus hat bei seinem Scheiden die Sorge für sein Reich, für seine Kirche in die Hände von Menschen gelegt. Sie sollten, wie er ihnen ernstlich aufgibt, seine Zeugen sein. Sie sollten, sie mußten es. Unter Menschen hat Gott sein Reich gebaut, unter Menschen will Jesus seine Kirche bauen, so sind denn auch Menschen seine Werkzeuge und die sind fehlbar. Jesus hat wohl die Verheißung gegeben, der heilige Geist werde seine Kirche in alle Wahrheit leiten und diese Verheißung hat sich erfüllt und wird sich noch erfüllen, deß sind wir gewiß. Aber weil es eben durch menschliches Denken und Auffassen hindurchgeht, so ist die Möchlichkeit des Irrtums gegeben. Zuletzt wird doch triumphieren die Wahrheit und Gottes hoher Rat.
Das menschliche Fehlen und Irren hat sich auf den verschiedensten Gebieten der kirchlichen Betätigung gezeigt. Denken wir etwa an das Werk der Ausbreitung des Evangeliums, das Missionswerk. Anfangs vollzog das sich so richtig. so schön dadurch, daß jeder Christ ein Missionar war, daß alle Christen überall wohin sie kamen Zeugnis gaben von dem Glauben und der Hoffnung, die in ihnen war, so daß damals wie von selbst das Reich Gottes sich ausbreitete. Aber, wie viel Irriges ist dann später auch auf diesem Gebiet eingedrungen. Denken wir an die Bekehrung Deutschlands. Die segensreiche Einrichtung eines Katechumenats, d. h. einer Unterweisung der Katechumenen vor der Taufe und auf die Taufe hin, welche die alte Kirche wie selbstverständlich hatte welche auch die evangelische Kirche selbstverständlich wieder eingerichtet hat bei ihrem Missionswerk, ließ die Kirche zur Zeit der Bekehrung unserer heidnischen Vorfahren fallen. Sie taufte sofort, sie taufte in Massen, sie taufte Volksgemeinschaften, wenn ihr Führer, ihr König sich zu Christo bekennen wollte; gar nicht davon zu reden, daß auch zwangsweise Taufen vorgekommen sind, wie bei der Bekehrung der Sachsen durch Karl den Großen. Aehnlich ist gefehlt und versäumt worden in Sachen der Kirchenzucht, die der Herr Jesus seiner Kirche mit dem Bindeschlüssel gegeben hat. Das eine Mal hat man die Zucht übertrieben, wie die römische Kirche durch den Bann oder gar durch das Interdikt, bei dem auf ganze Länder der Bann gelegt wurde, wobei man mit den Schuldigen auch die Unschuldigen strafte. An anderen Orten und zu anderen Zeiten dagegen wie in der Gegenwart, geschieht der Zucht viel zu wenig. Am meisten Irrtum war möglich und ist auch eingetreten aus dem Gebiet der Lehre. Die Kirche hat zwar im Wort Gottes die Wahrheit ganz und voll, aber Gott hat seine Offenbarung nicht etwa in Lehrform gegeben, nicht in Lehrsätzen ausgesprochen, wie in einem Katechismus. Seine Offenbarung ist viel
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_020.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)