müssen. Wir sind durch Gottes Gnade Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte, wir sind Kinder Gottes, daneben aber müssen wir bekennen: „Ich weiß, daß in mir, das ist in meinem Fleische, wohnet nichts Gutes.“ Wiewohl wir durch Gottes Gnade in einem neuen Leben stehen, leben wir doch immer noch in der alten sündigen Natur, die mit ihren Reizungen uns immer wieder zur Sünde führt. Erst einst in der Vollendung wird alles zur herrlichen Harmonie gediehen sein, bei uns den Einzelnen und bei der Kirche im ganzen. Wir müssen auch bei der Kirche unterscheiden das, was sie ihrem innersten Wesen nach ist durch den in ihr wirkenden Geist Gottes und dem, was sie erst werden soll. Denken wir an den 1. Korintherbrief. In keinem Brief an eine apostolische Gemeinde, hat Paulus so viel zu tadeln, ja zu schelten; „Euer Ruhm ist nicht fein.“ Aber gerade in diesem Brief zugleich führt er es der Gemeinde zu Gemüte, was sie an sich und in sich durch Gottes Gnade ist (3, 9 und 17: „Wir sind Gottes Ackerwerk und Gottes Gebäu, der Tempel Gottes ist heilig, welcher seid ihr.“ So ist auch die Kirche in ihrer tatsächlichen Erscheinung mit viel Unvollkommenheit, ja Sünde behaftet. Das sagen wir zur Einleitung dessen, was uns nunmehr beschäftigen soll, wenn wir reden:
Wir haben da ins Auge zu fassen:
- 1. die Möglichkeit des Irrens,
- 2. den tatsächlichen Gang der kirchlichen Entwicklung,
- 3. den schädigenden Einfluß desselben auf die Stellung der Kirche zur Quelle der Wahrheit,
- 4. die hindernde Einwirkung auf den Heilsweg für die Einzelnen und
- 5. das damit gegebene Verderben des christlichen Standes.
Weshalb war eine Reformation der Kirche notwendig? Nun, weil tiefes Verderben in die Kirche eingedrungen war, viele Irrtümer und Mißbräuche. Und woher das Verderben der Kirche? Ist sie doch das Haus, die Gemeinde des lebendigen Gottes, wie Paulus 1. Tim. 3 sagt und damit Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit. Ja, wie wir es vorhin schon einführend sagten, wir haben eben diesen Schatz in irdischen Gefäßen. Wodurch ist nun die Möglichkeit des Irrens auch in der Kirche des Herrn gegeben? Es ist etwas Großes, daß Gott beim Heilswerk sich je und je menschlicher Werkzeuge bedient hat. Er wollte nicht nur unter den Menschen sein Reich ausrichten, sondern auch durch Menschen, nämlich durch ihren Dienst. Das hat er besonders betätigt, seitdem
Wilhelm Eichhorn: Einsegnungsunterricht 1917. , Neuendettelsau 1919, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eichhorn_Einsegnungsunterricht_1917_019.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)