herzlichst feind und der mit der Sünde spielenden Zweideutigkeit eines Enea Silvio durchaus abgeneigt. Der uns in der Auslegung zum sechsten Gebot keusch und züchtig sein heißt in Wort und Werk, hat sich geschämt, unreinen Gedanken Raum zu geben und Worte zu gönnen, geschweige denn verdächtige Werke zu vollbringen, um derentwillen Gott sein Antlitz von ihm und seinen Wesen gewißlich gewendet hätte.
Wenn die mittelalterliche Kunst der Schlange den Frauenkopf zuweist, und die mittelalterlichen Theologen der von beweibten Priestern empfangenen Absolution die Gültigkeit absprechen, so hat Luther, den von seinem Gelübde Gott selber freigesprochen und am Traualtar nicht mit einer entlaufenen, sondern mit einer erlauchten Jungfrau verbunden hat, die Türe zum evangelischen Pfarrhaus weit aufgetan, das durch die Jahrhunderte der stille Quellort reichen Kulturlebens und reiner Arbeitsamkeit geworden ist. Ich kenne die Schatten und Schäden des evangelischen Pfarrhauses viel zu genau, als daß ich sein einseitiger Lobredner werden möchte. Aber ich kenne auch die Wolke der Zeugen, die um dieses stille schlichte Haus im Goldglanz lagert, weiß von seiner Bedürfnislosigkeit und willigen Armut, von dem ernsten Verzicht, der dort geübt, gelehrt und gelernt wird, von der Tätigkeit selbstloser Arbeit, von der Ernsthaftigkeit treuer Zeitverwendung. Man streiche aus der deutschen Kulturgeschichte diesen einen Kulturwert, man reiße aus den Chroniken des 30 jährigen Krieges die Blätter heraus, welche der Treue des armen Pfarrherrn gedenken, man streiche die großen Denker, Lehrer, Führer, Volksfreunde, welche dem evangelischen Pfarrhaus entstammen und man wird erst gewahren, welch eine Lücke entstanden ist. Auf dem weltfernen Dorf bildet das Pfarrhaus nicht nur in geistlichen, sondern auch in allerlei äußeren Nöten die sichere Zuflucht, im Getriebe der Stadt kann es der stille Bergungsort sein. Gerade die Frau sollte nicht vergessen, was Luther ihrem Geschlechte getan hat, als er in deutscher Ritterlichkeit Frauen minnen hieß und in christlicher Keuschheit ihrer sich freute. Wenn in gewissen evangelischen Kreisen der Bauern- und Bergmannssohn, weil seine Erscheinung nicht die
Hermann von Bezzel: Die deutsche Art in Luther. ohne Verlag, 1910, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_deutsche_Art_in_Luther_10.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)