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Seite:Die Gartenlaube (1897) 619.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

„Warum nicht? Heute glaube ich an alles. – Zur As-Dur-Polonaise von Chopin werde ich’s zwar nicht mehr bringen.

Das ist aber auch gar nicht mein Ehrgeiz. Und unser alter guter Klapperkasten möchte sich für die Zumutung bedanken.

Aber musizieren, weißt du, könnten wir dann hier in unseren vier Wänden nach Herzenslust, ohne Ludwig zu stören. Zusammen singen, wir beide, alles, was sich nicht wehrt, alle unsere lieben Duette! Ich begleite wieder, wie in früheren Zeiten.

Dann sollten wir am Ende die Sache mit der Kirche verschmerzen können. Glaubst du nicht, mein Altes?“

Hanna, so golden hoffnungsreiche Pläne an ihrer stets schwermütigen Kranken gar nicht mehr gewöhnt, hatte die Arbeit in den Schoß sinken lassen und sah nun, stumm, mit noch ungläubigem Lächeln und großen Augen, die langsam feucht wurden, der Mutter ins Gesicht.

„Wie kommt dir das so auf einmal, mein Liebling?“ fragte sie dann halblaut, fast zaghaft, als fürchte sie, durch ein lautes Wort den seltsamen Zauber zu verscheuchen.

„Jetzt werde ich dir wohl wieder zu schnell gesund? Heute morgen noch hast du gebrummt, daß ich damit so trödle. Recht kann ich’s dir wohl nicht mehr machen, du anspruchsvolles Ding?“

Hanna warf die Arbeit auf den Tisch und umschlang die Mutter stürmisch mit beiden Armen.

„Ach, du mein Einziges! Halt’ still, jetzt muß ich dich erst kaput und wieder ganz küssen! Also so wohl fühlst du dich, daß du schon schlechte Witze machen kannst? Wie soll man das Glück nur aushalten!“

Von der Kirche war nicht mehr die Rede. Hanna rührte das Wort nicht mehr an. In dem Freudensturm über die Besserung im Befinden der Mutter verwehten alle anderen Klänge.

(Fortsetzung folgt.)



Die Ausgrabungen in Pompeji in alter und neuer Zeit.
Von Woldemar Kaden.
(Mit den Bildern S. 613 und 617.)

An einem lichtvollen Frühlingstage, dem 7. April 1769, durchwanderten die graustaubigen Schuttmassen des jüngst in erst einigen Teilen abgedeckten Pompeji König Ferdinand von Neapel, seine Gemahlin Maria Karoline und deren Bruder Josef, Kaiser Josef II. Sie waren gekommen, angeregt durch das lebhafte Interesse, das der geistreiche Kaiser an dieser neuerstehenden alten Welt bekundet hatte, um die Ausgrabungen zu sehen.

Diese wurden, nachdem einige Tage vorher auf Anordnung des allmächtigen Ministers Tanucci die Zahl der Arbeiter vermehrt worden war, in den vier Zimmern eines Wohnhauses im Theaterviertel vorgenommen und förderten zur Freude des Kaisers eine Menge der köstlichsten Gegenstände antiker Kunst zu Tage.

Er erhob nun laut und dringend seine Stimme zu eifrigerem Betriebe des Werkes und fragte, wieviel Arbeiter dabei angestellt seien. Es waren dreißig. Dreißig? Und er machte seinem Schwager Vorwürfe, wie er erlauben könne, daß ein solches Weltwerk so nachlässig betrieben werde. Das sei eine Arbeit, welche 3000 Mann erfordere, und ihre Förderung werde dem Königreich Neapel zu hoher Ehre gereichen.

Da er zu den Gebäuden kam, die man nach damaligem Brauch aufgedeckt, ausgeplündert und wieder verschüttet hatte, erneuerte er seine Vorwürfe, und der König entschuldigte sich sehr verlegen damit, daß solches unter der Regierung seines Vaters, vor etwa zwanzig Jahren geschehen sei, als man noch keine Kunde davon hatte, daß hier eine Stadt zu Tage trete. Seit sechs Jahren wisse man dies und seit dieser Zeit lasse man die Gebäude aufgedeckt.

In der That hatte das klassische Aschenbrödel Pompeji unter Weizenäckern, Wiesen und Weinbergen ungestört bis ins 18. Jahrhundert hinein schlummern können, bis diese grüne Decke durch einen Zufall gehoben ward. Das war 1748 gewesen. Darauf hatten unberufene Hände begonnen, die Schlafende ihrer Kostbarkeiten und Schmucksachen zu berauben. Doch dies wüste Schatzgraben hatte sich auf die Dauer so wenig lohnend erwiesen, daß von 1750 bis 1754 niemand mehr grub. 1756 waren vier Arbeiter beschäftigt unter der Aufsicht eines Caporale. 1762 fand unser Winckelmann acht Arbeiter thätig, zwei Jahre später dreißig, es waren Galeerensklaven und Sklaven aus Tunis.

Josef hatte bei seinem Besuche den traurigen Schlendrian stark gerügt und feierliche Zusage auf Abstellung erhalten. Da jedoch vorauszusetzen war, daß er seinen Besuch nie wiederholen werde, so blieb seine Kritik ohne Wirkung. Bald auch hatten die Bourbonen, als die Glut des großen Pariser Brandes anfing, ihr Reich zu bedrohen, anderes zu thun, als alte Städte auszugraben.

Erst zu Napoleons und Murats Zeit kam neues Leben in die Ruinen. Da waren 1813 sogar bis gegen siebenhundert Arbeiter bei den Ausgrabungen beschäftigt.

Die Königin Karoline Murat, die sich durch Geist und Charakter sowie durch ihre Liebe zu Kunst und Wissenschaften auszeichnende Schwester Napoleons, brachte den Ausgrabungen das lebhafteste Interesse entgegen und spendete dafür aus ihrer Privatkasse 200 Dukaten monatlich. Ihrem Antriebe und ihrer Unterstützung ist das Zustandekommen eines der großartigsten Werke über Pompeji zu verdanken: Mazois’ „Die Ruinen von Pompeji“. Zur Drucklegung dieses Werkes, dessen erster Band 1812 bei Didot in Paris erschien, hatte Karoline 15000 Franken hergegeben.

Die auferstehende Stadt verlor ihre Gönnerin nach der Erschießung Murats. Die Bourbonen kamen wieder und die alte Oede kehrte in Pompeji ein. So waren die dreißiger und vierziger Jahre Feier-, d. h. Ruhejahre für die Stadt, und die Summe von etwa 30000 Mark, die für die Nachgrabungen ausgeworfen war, wurde in den Taschen der Beamten begraben. Um den Schein zu wahren, nahm man für billigsten Tagelohn die Frauen und Mädchen der armen Nachbarschaft in Dienst, wo es dann in den sonst so schweigsamen Ruinen der Totenstadt recht laut und lustig zugegangen sein mag. Das waren die Nachkomminnen der griechisch-römischen Frauen, die einst die Gegend bewohnten. Mit klassisch gebildeten Augen schaute der glückliche Maler E. Sain sie an, dem wir das Bild auf S. 617 verdanken, das Original hängt im Pariser Luxembourg-Museum. Ihm erschienen diese Arbeiterinnen wie aus jenen Zeiten Erstandene, er sah über Staub, Schmutz und Lumpen hinweg und zauberte leichte schlanke Grazien, wie sie auf den farbigen Wänden der vornehmen Häuser Pompejis im Bild schweben, auf die Leinwand.

Mit diesen überall ans Licht tretenden blühenden Gestalten begann die Stadt sich aufs neue zu beleben, Tausende von Kunstkennern und Künstlern ergötzten sich an ihnen, und dem Altertumsforscher hob sich der Schleier von manchem Geheimnis. Die reizenden Menschengestalten begeisterten schon Schiller zu den Versen:

„Lebt es im Abgrund auch? Wohnt unter den Larven verborgen
Noch ein neues Geschlecht? Kehrt das entfloh’ne zurück?“

Und Gregorovius baut im Geiste die alte Stadt wieder auf, durchwandelt ihre Straßen und betritt über den gefälligen Schmuck des musivisch erglänzenden Bodens das matt durch Ampeln erhellte Gemach:

„Rings auf rötlicher Wand, wie im Luftraum, glänzen Figuren …
Ueber dem dunklern Grund holdschwebend in wallenden Schleiern,
Welche das seid’ne Gelock zum Spiel hinwerfen dem Winde,
Aufwärts blickend, als ob gen Himmel die Seligen flögen …“

Diese zu Tausenden aufgedeckten Wandgemälde sind die wichtigsten Dokumente der auf uns gekommenen antiken Malerei. Die Feinheit der Farbengebung, gleichzeitig die Freude an der Farbe, die Wahrheit der Vorwürfe und Motive, die verfeinerte Ausführung sind staunenswert, trotzdem die Ausführenden meist nur Handwerker waren. Ebenso staunenswert ist die große Dauerhaftigkeit ihrer Arbeiten. 1800 Jahre haben sie unter der feuchten Asche geruht, und nun muß man sehen, wenn solch ein Bild bloßgelegt wird, wie taufrisch und unversehrt es aus Licht kommt, gerade als wenn der Maler eben den letzten Pinselstrich daran gethan hätte.

Aber Sonnenlicht und Regen lassen die Farben gar bald verbleichen.

Wie viele Bilder sind derart dahingeschwunden! Viele aber, gegen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 619. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_619.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2016)