verschiedene: Die Gartenlaube (1896) | |
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Blätter und Blüten.
Das Chemnitz-Bellmann-Denkmal in Schleswig. (Mit Abbildung.)
„Schleswig-Holstein meerumschlungen,
Deutscher Sitte hohe Wacht!“
so erklang es zum erstenmal in der Oeffentlichkeit am 24. Juli 1844 bei dem ersten schleswigschen Sängerfeste, auf dem der Schleswiger Gesangverein das von seinem Mitgliede, dem Rechtsanwalt Matthäus Friedrich Chemnitz (geb. 10. Juni 1815, gest. 15. März 1870), gedichtete und von seinem Dirigenten, dem 72jährigen Kantor Karl Gottlieb Bellmann (geb. 6. Sept. 1772, gest. 24. Dez. 1861), in Musik gesetzte Schleswig-Holsteinlied vortrug. Diese Dichtung, die in schlichten aber zu Herzen dringenden Worten dem Ausdruck verlieh, was damals alle Gemüter bewegte, fand in der leicht singbaren, echt volkstümlichen Weise sogleich jubelnden Beifall und in der Folge rasche Verbreitung. Man hörte das Lied jahrelang überall und bei jeder sich bietenden Gelegenheit, wie ein Vierteljahrhundert später die „Wacht am Rhein“. Es wurde zum Schlachtruf in dem Kampfe um das gute Recht, und seine Mahnung „Bleibe treu, mein Vaterland“ blieb in der trüben Zeit der Fremdherrschaft unvergessen, bis das Kampflied zur schleswig-holsteinischen Siegeshymne geworden war. Darum ist es nur recht und billig, daß man den beiden wackeren Männern, denen wir dies zündende Volkslied verdanken, ein würdiges Denkmal errichtet hat. Am 26. Juli wurde auf der Koppel in Schleswig, von deren Höhe man einen so schönen Ausblick auf die anmutig an der Schlei im Buchengrün gelegene Stadt genießt, und auf dem Platze, wo 1844 das Schleswig-Holsteinlied zum erstenmal gesungen worden ist, das Chemnitz-Bellmann-Denkmal enthüllt. Es ist ein trefflich gelungenes Werk des Bildhauers Paul Peterich, den schon sein Weber-Denkmal in Eutin und das Reventlow-Beseler-Denkmal in Schleswig vorteilhaft bekannt gemacht haben.
Aus einem Aufbau von unbehauenen erratischen Blöcken erhebt sich ein Granitsockel mit den bronzenen Medaillonbrustbildern von Chemnitz und Bellmann, dem schleswig-holsteinischen Landeswappen und entsprechenden Inschriften. Auf diesem Unterbau ragt mächtig empor die in Bronzeguß und mehr als doppelter Lebensgröße ausgeführte kraftvolle Reckengestalt eines jungen, mit dem Eichenkranze geschmückten Germanen. Kampfbereit schwingt seine Rechte das Schwert, seine Linke aber hält die Leier. In glücklichster Weise verkörpert so der Jüngling das für sein Deutschtum unter den begeisternden Klängen jenes Liedes zum Kampfe ziehende Schleswig-Holstein, das durch die That den Worten „Deutscher Sitte hohe Wacht“ Bedeutung verliehen hat. Fr. R.
Ein Rettungsmantel für Schiffbrüchige. (Zu dem Bilde S. 565.) Eiues schönen Tages zu Ende des Juli bot sich den Passanten der Schiffsbrücke zu Köln ein seltsamer Anblick dar: den Rhein herab trieb ein rätselhaftes Ungeheuer, große aufgeblähte Schwingen hielten es über dem Wasser, während es mit den Händen aufgeschlagen ein Buch hielt, über welches sich ein Männerkopf mit starkem Schnurrbart und energischen Zügen beugte. Die Wellen trugen spielend die sonderbare Gestalt dahin, die sich für die Eingeweihten als der Techniker F. W. Kuhl entpuppte. Derselbe führte den Vertretern der Presse seinen neuen Rettungsmantel in erfolgreicher Probe vor.
Die Konstruktion dieses Mantels ist Geheimnis seines Erfinders. Aeußerlich unterscheidet er sich nicht von einem gewöhnlichen Ueberzieher, der mit einem doppelten Gummifutter ausgestattet ist; er ist sehr leicht, seine Füllung besteht aus einer Masse, die ein Untersinken unter Wasser verhindert; in zwei Minuten ist er angelegt, mit Luft gefüllt und zum Gebrauch fertig, wie der Erfinder es bei seiner Probe bewies. Herr Kuhl behauptet, mit dem nötigen Mundvorrat versehen, 16 bis 18 Tage im Wasser schwimmend zubringen zu können, wenn er noch die zu dem Mantel gehörigen Beinkleider, Schuhe etc. angelegt hat. Aber auch der Mantel allein genüge, den Schiffbrüchigen tagelang in bequemer Lage über Wasser zu halten. Im Hinblick auf die zahlreichen Schiffsunfälle gerade der letzten Zeit muß man jeden Versuch, Menschenleben dabei zu retten, mit Freude begrüßen, und so wollen wir hoffen, daß auch die Erfindung Kuhls einen Fortschritt in dieser Richtung hezeichne.
Die Ferienkolonisten kommen wieder! (Zu dem Bilde S. 569.) Sehnlicher wird wohl das Jahr über kaum ein Zug erwartet als der, welcher soeben in die große Bahnhofshalle einlief! Denn die vier Wochen wurden den Müttern doch recht lang, so froh sie auch waren, ihre blassen Stadtpflänzchen draußen auf dem Lande zu wissen im ungewohnten herrlichen Genuß von Waldluft und Wiesengrün, wo Milch und Obst nebst so vielem anderen die Kinderherzen erfreut.
Nun, endlich sind sie da; der Zug hält; die Thüren können nicht schnell genug geöffnet werden für die Herausstrebenden Kinder, die ganze Bahnhofshalle schallt wieder von dem Rufen, Lachen und Jubeln. Der Billetmann hat einen schweren Stand dem unaufhaltsamen Strom gegenüber, der nach den wartenden Eltern hindrängt. Und nun lösen sich die einzelnen und eilen in die ausgestreckten Arme. Rotbackig und lustig kommen sie daher in ihrem sauber geschonten Sonntagskleidchen, und nun beginnt ein Erzählen, das auf dem ganzen Heimweg kein Ende nimmt. Zuletzt heißt es beim Zubettegehen: „Es ist doch auch wieder schön daheim!“
Mancher warme Aufruf zu gunsten der so schnell überall eingebürgerten Ferienkolonien ist schon veröffentlicht worden und hat seine Früchte getragen. Das vorliegende hübsche Bild will demselben Zwecke dienen, es stellt den Spendern der Beiträge die glückliche Kinderschar vor Augen und mahnt dabei: nicht nachlassen! Den nächsten Sommer wieder etwas geben – es ist gut angelegt! … Bn.
Friedrich der Große vor der Schlacht bei Zorndorf in dem zerstörten Küstrin. (Zu dem Bilde S. 576 und 577.) Unter den Schlachten des Siebenjährigen Krieges war die Schlacht bei Zorndorf eine der blutigsten und entscheidungsvollsten; denn der vielbedrängte, so oft siegreiche Preußenkönig warf hier die Russen, welche Ostpreußen besetzt hatten und schon in die Neumark gedrungen waren, nach einem schweren und hartnäckigen Kampfe zurück. Mitte August 1758 belagerte der russische General Fermor die Festung Küstrin, deren Besatzuug durch die Truppen des Generals von Dohna vom rechten Oderufer aus unterstützt wurde. Friedrich, von Schlesien aus in Eilmärschen herbeieilend, vereinigte seine Heeresmacht mit ihnen bei Küstrin und der russische Oberfeldherr hob, sobald er dies erfahren, die Belagerung auf, um mit seinen 50 000 Mann und seinen irregulären Reitertruppen den Angriff der Preußen in möglichst gedeckter Stellung zu erwarten. Das Bild des Malers H. E. Pohle zeigt uns nun Friedrich den Großen in den Straßen des durch die feindlichen Kugeln und Brandgeschosse halbzerstörten Küstrin. Ringsum Häuser in Trümmern, vom Rauch umqualmt, aus dem die Flammen noch emporschlagen; die Bevölkerung, Greise, Frauen, Kinder, elend, von Not und Hunger aufgezehrt, in Verzweiflung, fleht den König um Hilfe an, der nicht ungerührt mit seinen großen Herrscheraugen auf das sein Roß umdrängende Volk blickt. Hinter ihm hält der General von Seydlitz, der tapferste Reiterführer des Königs, der bald zu seinen alten Lorbeeren neue erwerben sollte. Und in der That, einige Tage darauf, am 15. August, verkündete der Kanonendonner von Zorndorf die Entscheidungsschlacht, entschieden durch den zweimaligen großartigen Reiterangriff von Seydlitz – ein neues Ruhmesblatt für den Sieger von Roßbach. †
Inhalt: Der laufende Berg. Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer (10. Fortsetzung). S. 565. – Der Techniker Kuhl, in dem von ihm erfundenen Rettungsmantel den Rhein bei Köln herabschwimmend. Bild. S. 565. – Ein deutsch-österreichischer Dichter (Hans Grasberger). Von Peter Rosegger. Mit Bildnis S. 568. – Rückkehr aus der Ferienkolonie. Bild. S. 569. – Wie ich meine Mundart entdeckte. Von Hans Grasberger. S. 570. – Fürst Arno. Novellette von Ernst Eckstein. S. 572. – Kurze Rast. Bild. S. 573. – Friedrich der Große vor der Schlacht bei Zorndorf in dem zerstörten Küstrin. Bild. S. 576 und 577. – Leben, Trachten und Sitten der chinesischen Frauen. Von Ernst v. Hesse-Wartegg. II. S. 578. – Blätter und Blüten: Das Chemnitz-Bellmann-Denkmal in Schleswig. Mit Abbildung. S. 580. – Ein Rettungsmantel für Schiffbrüchige. S. 580. (Zu dem Bilde S. 565.) – Die Ferienkolonisten kommen wieder! S. 580. (Zu dem Bilde S. 569.) – Friedrich der Große vor der Schlacht bei Zorndorf in dem zerstörten Küstrin. S. 580. (Zu dem Bilde S. 576 und 577.)
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 580. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0580.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)