Verschiedene: Die Gartenlaube (1895) | |
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Blätter und Blüten.
Italienische Kinderweihnacht. (Zu dem Bilde S. 837.) Anders als bei uns im Norden verläuft Weihnachten im italienischen Süden, wo Kälte und Schnee seltene Gäste sind und der liebe Tannenbaum nicht grünt.
Wie die Schwalben den Lenz, künden die Hirten von den Bergen, die Pifferari oder Zampognari, mit ihren überlustigen Dudelsackweisen am 29. November schon das Nahen des schönsten Festes an. Vom 29. November bis 7. Dezember dauert die Andacht zur heiligen Jungfrau, deren Töne die Kinderwelt immer und immer wieder und immer noch wie vor hundert Jahren elektrisieren. Wie Orgelton erklingt der Dudelsack, ernst und tief, mahnend und tröstend, wie Rede der Alten; wie übermütiger Kinderjubel im Rhythmus des Pastorale hüpfen jauchzend und schmetternd die Töne der Schalmei darüber hinweg.
Eine übermütige Kinderschar, schwarzköpfig alle, mit dunkeln strahlenden Augen, umdrängt die beiden Spieler, und die tüchtigen Jungen suchen ihnen die Kunst abzulernen.
Das Ganze ist ja nur die Ouverture, aber eine Ouverture ohne Ende, eine von neun Tagen. Nach diesen giebt es eine große Pause bis zum 16. Dezember, an diesem Tage beginnt das eigentliche Stück, die „Novena del Gesù Bambino“, die neuntägige Andacht zum Jesuskind, und die dauert nun bis 24. Dezember. Aber das ist eine fieberhafte Zeit, denn das größte Schmausfest, der größte Festschmaus muß in magenwürdiger Weise vorbereitet werden: Hühner, Kapaunen, Truthähne, Lämmer, Kälber, Fische, Meerfrüchte, Krebse, dann Aepfel, Birnen, Feigen, Mandeln, Nüsse, Trauben, Melonen und Orangen, Kraut und Kohl füllen bereits alle Räume und häufen sich auf den Marktplätzen zu Hügeln und Bergen.
Aber die Kinder in der Stadt und auf dem Dorfe haben inmitten dieses materiellen Treibens noch etwas Besseres zu thun: der Präsepe (die Krippe) muß in seiner traditionellen Herrlichkeit aufgebaut werden, Bethlehem soll erstehen mit dem Stern und mit dem kleinen rosenroten Menschenkind in der Krippe, und unschuldige Kinderhände bringen das wächserne auf einem Schüsselchen getragen und alle, Kerzen, Blumen und Zweige in den Händen, goldene Früchte in den Schürzen, begleiten es singend in Prozession zur Kirche, dort werden die Lichter angezündet und aus Kindermund ertönt Christkindleins Wiegenlied:
„Schlaf, o schlaf, schön Kindelein,
König fein.
Schlafe, schlaf, du Söhnchen mein.
Träume, Engelsangesicht,
Himmelskönig,
Holde Lilie, zart und licht.‟
Und Don Biagio, der vielbeschäftigte Parroco (Pfarrer), der das Kind ins Moos gebettet, reibt sich weihnachtsfroh die Hände, schnuppt die Kerzen und setzt den großen goldpapierenen Bethlehem-Stern in schwingende Bewegung.
Das ist die Weihnachtswonne der süditalienischen Jugend, der
Weihnachtsbaum ist ihr fremd. Das Bild P. Scoppettas zeigt den Aufbruch einer
fröhlichen Kinderschar zur Kirche, das kleine Mädchen inmitten der Treppe
trägt das wächserne Christkindchen vorsichtig auf den Armen. Woldemar Kaden.
Ein Weihnachslied. (Zu dem Bilde S. 832 und 833.) Wo unter dem
kerzenhellen Christbaum hervor inniger Gesang gen Himmel steigt, dort ist
Weihnachtsstimmung, mag auch dieser Abend als schwer erreichtes Friedenseiland inmitten stürmischer Lebenswogen sich erheben. Die junge Witwe dort,
die nach dem frühen Tode des Gatten mit den Kindern ins elterliche Haus
zurückkehrte, sie sieht ernst und leidvoll aus großen Augen ins Weite, aber
ihre Lippen singen leise mit – sie fühlt es tief und dankbar, daß ihre Waisen
hier eine Heimat haben, wenn auch der Vater draußen in der winterlichen
Erde, für immer ihnen entrissen, ruht. Und die gute, thätige Großmama,
deren Teil statt Ausruhen nur neue Arbeit und Sorge geworden ist, auch sie
empfindet den Frieden dieses Abends und das in den aufblühenden Kindern
ihnen geschenkte Glück heute gar lebhaft! Auch sie mischt ihre zitternde
Stimme in das Danklied, das ihr alter treuer Lebensgenosse fest und
freudig an seinem ausgespielten Instrument intoniert. Es ist ihnen viel
geblieben und sie besitzen den besten Schatz: die Liebe, welche das Schwere
tragen hilft und unter dem bescheidensten Dache ein Paradies des Friedens
erschafft, das feste Gottvertrauen und die Hoffnung auf die Zukunft der
Kinder. Diese selbst, wie sie in frischer Jugend blühen, sind der beste
Trost im Leid, an ihrem Wachsen und Streben kann sich das Mutterherz
wieder aufrichten und künftig wird „fröhliche Weihnacht" dort neu einziehen,
wo heute nur eine stillbewegte voll sehnsüchtiger und schwerer
Erinnerung gefeiert wird. Br.
Christkindleins Boten. (Zu unserer Kunstbeilage)
Christkindleins Boten
Sie nahen sacht
Aus Himmelshöhen,
In Glanz und Pracht.
Ein lieblich Klingen
Tönt um sie her –
Da hält’s die Kleinen
Im Bett nicht mehr!
Sie stehen lauschend . . .
Schon raschelt’s draus –
Es packt der Engel
Die Gaben aus.
O wie so langsam
Der Sack sich leert! . . .
Nur noch ein Weilchen –
Dann wird beschert!
– t –
„Unser Bismarck‟ von Allers. Ein Prachtwerk ganz einziger
Art, monumental und volkstümlich zugleich, ist der bilderreiche, kostbare
Band, den C. W. Allers nunmehr seinem „Fürst Bismarck in Friedrichsruh‟
hat folgen lassen (Stuttgart, Union). Weit umfassender als die dort
gelöste Aufgabe, den greisen Staatsmann als unseren Zeitgenossen im
Kreise seiner Familie und im Genuß der idyllischen Umgebung seines
waldumragten Tuskulums zu schildern, ist die hier in Angriff genommene
und bewunderungswürdig ausgeführte. „Unser Bismarck‟ – wie der
Titel es ausdrückt – der ganze Bismarck, von seinen Anfängen bis zu
den großen Erntetagen des Ruhms, die seine Einsamkeit in den letzten
Jahren erhellten, das Werden und Wachsen seiner Erscheinung von Kindesbeinen
an zu der volkstümlichen Heldengestalt, in welcher sein Bild für
ewige Dauer der Geschichte unsres Volks eingeprägt ist, wird hier in
Bild und Wort in der oft gerühmten Allersschen Weise veranschaulicht,
die den warmen frischen Hauch des unmittelbaren Lebens trägt. Ganz
besonders aber tritt uns Bismarck auch hier in seinen Beziehungen zum
Volke, im frischen, fröhlichen Wechselverkehr mit Vertretern aller Stände
entgegen, und Allers, schon immer als Schilderer des deutschen Bürgertums
ein gefeierter Meister, hat mit unerschöpflicher Lust den vielen
Gelegenheiten dieser Art, bei denen er direkt „nach der Natur‟ zeichnen
konnte, eine bunte Fülle von Motiven entnommen, die für seine geniale
Charakterisierungskunst wie für seinen Humor sich gleich dankbar erwiesen.
Der Text von Hans Krämer ist warmen Tons und mit echter Begeisterung
geschrieben. Die heliographische Wiedergabe der 258 großen und kleinen
Bilder, wie überhaupt die Ausstattung des Bandes verdienen das höchste
Lob, wie dies schon bei den anderen Allerswerken des gleichen Verlags
der Fall war. Auch sie – wir bringen nur kurz „Die Hochzeitsreise in
die Schweiz“, „La bella Napoli“, „Fürst Bismarck in Friedrichsruh“
und „Freund Allers“ in Erinnerung – seien für die nahende Weihnachtszeit
zu Festgeschenken bestens empfohlen.
Inhalt: Weihnachten. Gedicht von Carl Busse. Mit Umrahmung. S. 821. – Die Lampe der Psyche. Roman von Ida Boy-Ed (9. Fortsetzung). S. 822. – Die Vorfahren unserer Weihnachts-Schauspiele. Von Alexander Tille. S. 826. Mit Abbildungen S. 825, 826 und 828. – Das Kreisstehen in der Christnacht. Eins aus dem steirischen Volksleben von Peter Rosegger. Mit Abbildung. S. 829. – Die falschen Weihnachtsbäume. Weihnachtsgeschichte von Charlotte Niese. S. 831. Mit Bildern S. 831, 834, 835, 836, 838 und 839. – Ein Weihnachtslied. Bild. S. 832 und 833. – Italienische Kinderweihnacht. Bild. S. 837. – Blätter und Blüten: Italienische Kinderweihnacht. Von Woldemar Kaden. S. 840. (Zu dem Bilde S. 837.) – Ein Weihnachtslied. S. 840. (Zu dem Bilde S. 832 und 833.) – Christkindleins Boten. S. 840. (Zu unserer Kunstbeilage.) – „Unser Bismarck“ von Allers. S. 840.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 840. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_840.jpg&oldid=- (Version vom 1.2.2024)