Verschiedene: Die Gartenlaube (1894) | |
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Nr. 18. | 1894. | |
Illustriertes Familienblatt. — Begründet von Ernst Keil 1853.
Als Bruder Wampo glücklich den ebenen Waldgrund erreichte,
that er einen brunnentiefen Atemzug und schüttelte den Staub
von sich ab, den sie von der Mauer auf ihn niedergeworfen. „So
ein Teufelsnest!“ schalt er und hob die geballten Fäuste gegen Wazemanns
Haus. „Aber gelt, hingesagt hab' ich's Euch!
Aber schon gehörig! Wartet nur, wenn wir wieder
einmal zusammenkommen, dann sollt Ihr noch
schärfere Wörtlein hören!“ Wieder schüttelte
er die Kutte, und als er, langsam dem
Pfade folgend, zum Ufer gelangte, blickte
ihn der klare See so kühl und
verlockend an, daß der nach
Erfrischung Lechzende
nicht zu widerstehen vermochte.
„Kalt wird’s sein, aber gut!“ Ein Busch, in welchem er
sich zum Bad entkleiden konnte, war bald gefunden.
Als er mit Armen und Schultern aus der Kutte schlüpfte,
machte er sorgenvolle Augen zu seinem eigenen Anblick.
„Fein haben sie mich zugerichtet, das muß ich sagen.
Ausschauen thu’ ich wie ein Ferch: blau und grün schillerig,
mit roten Tupfen!“
Er sprang ins Wasser, vor Kälte prustend und mit den Zähnen schnatternd. Aber wie ein Fisch, der an der Angel zappelt, schlug er um sich und dabei wurde ihm warm, so daß ihm das Bad gar wohl behagte. Nicht weit vom Ufer sah er die stille Insel ... sie lockte ihn. Auf dem Rücken liegend, schwamm er dem Röhricht entgegen, und wenn ihm Wasser in den Mund geriet, blies er die Backen auf und spritzte aus den Lippen ein dünnes Brünnlein in die Höhe. Als er die Insel erreichte und zwischen dem Schilf umherwatete im weichen warmen Schlamm, hörte er auf dem jenseitigen Waldhang die frische helle Stimme eines Burschen klingen.
Fröhlich hallte das Albenlied im Wald, und die jauchzenden Jodelrufe weckten das Echo an der Falkenwand.
Edelrot erschien in der offenen Thür des Fischerhauses; sie lauschte, und eine zarte Röte huschte über ihre schmalen Wangen. „Der Ruedlieb!“ Mit leuchtenden Augen spähte sie gegen den Wald aber noch konnte sie den Heimkehrenden nicht gewahren, sie hörte nur sein klingendes Lied. Und obgleich sie die Worte nicht verstehen konnte, so wußte sie doch, was das Liedlein sagen wollte: „Rötli, hab’ acht ... ich komm’!“
Es zog sie zum Thor, aber sie dachte der Mahnung ihres Bruders. Nach allen Seiten blickte sie, doch die Hofreut war leer – Hilmtrud saß bei Mutter Mahtilt in der Herdstube, und Sigenot war mit den Knechten, mit Eigel und Kaganhart hinter dem Hause, wo sie an den Pfählen zimmerten, mit denen Sigenot den Hag zu höhen und das
Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 293. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_293.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2021)