Verschiedene: Die Gartenlaube (1893) | |
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Fleiß, ihre Gewohnheit, mit einem harten Boden zu ringen, ihr frommes Hoffen, das alles wirkte zusammen, sie die Hindernisse siegreich bestehen zu lassen.
Das Klima war im ganzen milde, der Winter selten sehr kalt. Mehr und mehr warf der Ackerbau einen lohnenden Ertrag ab, und als man an günstigen Orten, besonders in Sarona, gar Wein zu bauen anfing, da machte man so gute Erfahrungen, daß der Weinbau jetzt im Haushalt der Kolonien die wichtigste Rolle spielt. Im Herbst 1892 wurden im Centralkeller zu Sarona etwa 3000 Hektoliter gekeltert.
Der Absatz ging bisher zum größten Theil nach Europa; erst neuerdings ist er durch die deutschen Eingangszölle und durch den Wettbewerb der italienischen Weine stark beeinträchtigt worden, so daß nunmehr Aegypten unter den Abnehmern des „Tempels“ in den Vordergrund getreten ist. In Stuttgart wird übrigens immer noch ein Lager von Weinen aus den Gärten der Kolonien unterhalten.
Zur Zeit rechnet man etwa 1500 Deutsche in Palästina; weitaus der größte Theil, etwa 1350 Köpfe in 248 Familien, gehört der Tempelgemeinde an. Bereits ist ein Geschlecht heraufgewachsen, dessen Wiege schon im Heiligen Lande stand. Aber die Fühlung mit der deutschen Heimath ist darum nicht lockerer geworden. Hat sich auch die Tracht in machen Stücken den veränderten Verhältnissen anpassen müssen, hat der schwäbische Bauer auch seinen schweren Dreispitz an den Nagel gehängt und ihn mit einem Korkhut oder leichten Filz vertauscht, so sind doch Sitte, Wohnart und Lebensweise deutsch geblieben, und in der Muttersprache allein verkehren die Leute untereinander. Nach deutscher Art wurde auch von Anfang an für ein tüchtiges Schulwesen gesorgt. Die Kolonien besitzen eine Anzahl gut geleiteter Volksschulen und in Jerusalem ein Lyceum, das ihren besonderen Stolz bildet. Seit 1882 gewährt auch das Deutsche Reich einen namhaften Beitrag für die deutschen Schulen in Palästina. Und das ist nur gerecht. Denn durch diese Schulen und durch eine Reihe weiterer gemeinnütziger Anstalten, wie z.B. die Spitäler in Jaffa und Haifa, die sämtlichen Europäern und Eingeborenen zugänglich sind, erwerben sich die Kolonien fortdauernd wesentliche Verdienste um die Ehre des deutschen Namens in der Fremde.
Allmählich haben sie sich übrigens auch bei den türkischen Behörden ein gewissen Wohlwollen erobert, denn sie sind pünktliche Steuerzahler, und derartige bequeme Unterthanen kommen einem türkischen
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_381.jpg&oldid=- (Version vom 18.5.2024)