Verschiedene: Die Gartenlaube (1893) | |
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Jerusalem“ als eine eigene Gemeinde, und trotz vielfacher Anfechtung erwies sich die Zahl der Anhänger so groß, daß man mit einiger Aussicht auf Erfolg an die Ausführung der letzten Pläne Hoffmanns, die wirkliche Ansiedlung in Palästina, herangehen konnte. Im Jahre 1854 richtete Hoffmann eine mit 439 Unterschriften versehene Bittschrift an den „Hohen Bundestag“ zu Frankfurt a. M., er möchte sich sich bei der türkischen Regierung dafür verwenden, daß sie der Gesellschaft behufs Uebersiedlung in das Gelobte Land Ackerboden um billigen Preis verkaufe und der Kolonie ihren Schutz angedeihen lasse. Der Bundestag aber hätte wohl beim besten Willen in dieser Angelegenheit nichts thun können und theilte denn auch den Bittstellern mit, daß er sich mit der beregten Sache nicht befassen könne. Der orientalische Krieg hatte zudem gerade seinen Anfang genommen und ließ vorläufig die Weltlage zur weiteren Verfolgung der Ansiedlungspläne als nicht geeignet erscheinen.
Hoffmann mit den Seinen ließ sich dadurch nicht irre machen. Er erwarb mit einem Theil der gesammelten Gemeindegelder den Kirschenhardthof bei Marbach, siedelte dahin über, und hier war nun siebzehn Jahre lang, von 1856 bis 1873, der Mittelpunkt des „Tempels“, die Hauptstation zur Sammlung der Gläubigen, die Vorbereitungsschule für die eigentliche Koloniegründung.
Im Jahre 1858 ging eine Kommission von drei Mitgliedern des Tempels, darunter Hoffmann selbst und Hardegg, nach Palästina. Mehrere Monate lang durchzog sie das Land von Berseba bis Dan, um darüber Bericht erstatten zu können, inwieweit es für die ihm in der Weissagung bestimmte Aufgabe tauge, den ersten Grund und Boden für das Reich Gottes auf Erden abzugeben. Der Bericht lautete nicht sehr aufmunternd, das Land befand sich in einem sehr herabgekommenen Zustande. Gleichwohl wurden einige Zeit darauf vier andere, diesmal junge Leute nach Syrien gesandt, um die arabische Sprache zu erlernen und gleichsam als Vorposten zu dienen. Ihnen folgten 1866 kleine Gruppen von jüngeren Leuten. Allein sie waren den Einflüssen des Klimas und den Schwierigkeiten einer Ansiedlung im Innern des fremden Landes weder geistig noch körperlich gewachsen und erlagen größtentheils dem Fieber.
Da, es war im Jahre 1868, entschlossen sich endlich Hoffmann und Hardegg selbst, mit ihren Familien nach Palästina zu reisen. In Konstantinopel suchten sie mit klugem Bedacht von der türkischen Regierung kostenfrei Land zur Anlage einer Kolonie zu erhalten; aber sie hatten damit kein Glück. So zogen sie denn weiter nach dem gelobten Lande selber, um zu sehen, was von den Türken an Ort und Stelle für Geld und gute Worte zu bekommen sein würde.
Nach sorgfältiger Umschau und Prüfung fanden sie in Haifa am Fuße des Berges Karmel den günstigsten Ort für eine erste Ansiedlung, die gleichsam als Empfangsstation und als Vorbereitungsplatz für weitere Kolonisierung dienen konnte. Bald darauf bot sich ihnen Gelegenheit, in Jaffa die Grundstücke und Gebäude einer wieder weg wandernden nordamerikanischen Sekte zu erwerben, und so entstand in Jaffa 1869 die zweite Tempelkolonie, deren Lage insofern von Bedeutung war, als Jaffa seit alten Zeiten der Hafen von Jerusalem ist.
In kleinen Nachschüben vollendete sich seitdem die Auswanderung der schwäbischen Tempelbrüder nach Palästina. Jahr um Jahr zogen neue Ansiedler an, meist mit Familie, und richteten sich mit ihrem Gewerbe oder ihrer Ackerbauwirthschaft in dem Lande ihrer Sehnsucht ein. In Haifa setzten sich ihrer etwa dreihundertfünfzig fest, in Jaffa zweihundert. Da in dem letzteren Orte für Ackerbau kein Raum war, so wurde eine Stunde von der Stadt entfernt eine dritte Kolonie, Sarona, angelegt, die hauptsächlich Landwirthe aufnahm und etwa achtzig Kolonisten erhielt. Endlich schlug eine Anzahl von Familien in Jerusalem selbst ihren Wohnsitz auf, insbesondere Handwerker und Gärtner; wieder andere in Nazareth und Ramle.
So vereinigte Hoffmann allmählich nahezu tausend Landsleute im Türkenreiche, auf den geweihten Stätten des Christentums, inmitten einer fanatischen islamistischen Bevölkerung, die nur mit Haß und Mißtrauen die Kolonisten unter sich duldete. Muthig trat er gegen alle Unbill der türkischen Beamten und der feindseligen Einwohnerschaft auf und wachte mit der Umsicht des Feldherrn über seine friedliche Eroberung. Zum Zwecke der einheitlichen Leitung der Angelegenheit seines kleinen Reiches ließ er sich zum Vorsteher sämtlicher Templerkolonien erwählen, die eine Art republikanischer Verfassung und Selbstverwaltung erhielten und nun inmitten asiatischer Depotenwirthschaft an die Aufgabe gehen konnten, dem Tausendjährigen Reich, an dessen Nahen sie glaubten, die Stätte zu bereiten. Am 8. Dezember 1885 starb Hoffmann, und Christoph Paulus, sein langjähriger Mitarbeiter, wurde sein Nachfolger.
Die deutschen Kolonien, zu denen schließlich noch Rephaim bei Jerusalem hinzutrat, blühten zwar nicht gerade üppig empor, denn der Grund und Boden war weit entfernt von paradiesischer Herrlichkeit. Aber der zähe Charakter der schwäbischen Bauern, ihr
Verschiedene: Die Gartenlaube (1893). Leipzig: Ernst Keil, 1893, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1893)_380.jpg&oldid=- (Version vom 18.5.2024)