Verschiedene: Die Gartenlaube (1890) | |
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Halbheft 15. | 1890. | |
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Ein Mann.
In seinem schönen Haus am Schwanenweg in Kiel saß der Kaufmann John Ericius und sah die eingegangene Morgenpost durch. Der Gehilfe, der sie ihm überbracht hatte, stand an der Thür, seiner Befehle harrend. Er mußte die Briefe, nachdem der Geschäftsherr sie eröffnet, gelesen und mit den ihm nothwendig scheinenden Bemerkungen versehen hatte, in das am Hafen gelegene Comptoir der Firma bringen, wo sie die weitere, geschäftsmäßige Erledigung fanden. So geschah es jeden Tag. Nur die kritzelnde Feder des Alten unterbrach die lautlose Stille. Etwas Athembeschwerendes durchwehte den Raum, gefördert durch die schweren Möbel und dichten Vorhänge, die übergroße Ordnung und die gleichsam starrköpfige Gediegenheit aller vorhandenen Gegenstände.
In dem breiten Gesicht des Schreibenden mit dem runden, eigensinnigen Kinn und den kalten, den Dingen auf den Grund gehenden Augen war nur der Verstand ausgeprägt. In dieser Stunde war er der ausschließliche Herrscher, dem sich alles, was etwa von weicheren Gemüthsregungen in der Brust des Mannes schlummern mochte, bedingungslos unterordnete.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_453.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2022)