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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


gegen Deinen Bruder gehegt und nur auf die Gelegenheit gewartet, ihm mit der Miene des unbestechlichen Biedermannes den empfindlichsten Schlag zu versetzen.“

„Und diese Überzeugung – auch Du würdest sie theilen, Marie?“

Sie antwortete ihm nicht, und nachdem er vielleicht eine halbe Minute lang vergebens auf ihre Erwiderung gewartet hatte, sagte er in einem ganz veränderten, höflich fremden Ton: „Wünschest Du noch jetzt, daß ich Dich in einen kühleren Raum geleite?“

Verwirrt und unschlüssig blickte sie zu ihm auf; aber da er ihr nun mit einer Verbeugung seinen Arm bot, legte sie die Hand hinein und verließ an seiner Seite den Saal. Sie hatte ihr Ziel erreicht; aber es war gewiß nicht Genugthuung, was sie darüber empfand. Die Wirkung ihrer Worte bedrückte und beunruhigte sie, und nur zu gerne hätte sie jetzt die Antwort nachgeholt, welche sie ihm vorhin schuldig geblieben war. Aber sein Schweigen und seine ernste, verschlossene Miene raubten ihr den Muth dazu.

(Fortsetzung folgt.)




Die Berliner Elektricitätswerke.

Von Gustav Schubert.0 Mit Zeichnungen von E. Thiel.
„Das Neue dringt herein mit Macht.“
  (Schiller, „Tell“.)


Einen Aufschwung, wie er auf keinem Gebiete menschlichen Schaffens und Ringens beobachtet werden kann, hat während des letzten Jahrzehntes die Anwendung der Elektricität genommen, jener wunderbaren Naturkraft, in deren Zeichen unsere Zeit steht. Wohl ist die Elekricität selbst keine neue Entdeckung. Als älteste bekannte Quelle derselben darf die Reibung gelten; über die Eigenschaften geriebenen Bernsteins (Elektron) schrieb schon der griechische Philosoph Thales von Milet um das Jahr 500 v. Chr., und später wurde die geheimnißvolle Kraft auch an dem Glase nachgewiesen, welche Entdeckung wieder zur Unterscheidung der Harz- (negativen) und Glas- (positiven) Elektricität führte. Angeregt durch die oft geschilderten Froschschenkelversuche des Italieners Galvani (1789), entdeckte Volta (1800) die Kontakt- oder Berührungs-Elektricität, welche sich auf die durch gegenseitige Berührung zweier verschiedener Metalle, bez. Metalle und Flüssigkeiten, hervorgerufene chemische Wirkung gründet und in den der Telegraphie und Galvanoplastik dienenden Batterien zu höchster Leistungsfähigkeit gelangt. – Hiermit schien die Ausbeutung dieser Naturkraft auf lange Zeit abgeschlossen zu sein. Da wurde 1866 fast gleichzeitig von zwei Gelehrten, Wilhelm Siemens in Berlin und Wheatstone in London, noch ein anderes Mittel der Elektricitäts-Erzeugung, ein wirklich unerschöpflicher Brunnen, aufgefunden, die dynamo-elektrische Maschine, das ist eine Maschine, welche mechanische Kraft (Dampf, Wasser, Wind etc.) in Elektricität umsetzt. Sie ist mit Recht die „Königin“ aller Maschinen genannt worden und hat schon, obgleich sie erst am Anfange ihres Triumphzuges und ihrer völkerbeglückenden Wirksamkeit steht, unermeßlichen Segen verbreitet.

Ueber der Eingangspforte der Centralstation der Berliner Elektricitätswerke in der Markgrafenstraße, in welche wir unsere Leser einzutreten bitten, müßte das Dichterwort stehen:

„Unergründlich ist das Wirken,
Unerforschlich ist die Kraft.“

Aus den Maschinenräumen tönt uns dumpfes Rollen und Summen entgegen. Hier arbeiten in dem größten bis jetzt für diese Zwecke verwendeten Maßstabe neun Kessel mit je 180 bez. 200 Quadratmeter Heizfläche; der dadurch erzeugte Dampf treibt mit 3200 Pferdekräften die Dynamomaschinen. Bei jeder derselben (vergl. die Abbildung S. 366) spielt sich folgender Vorgang ab: zehn feststehende, wie die Speichen eines Rades gestellte, dicke Eisenstäbe, sogenannte „magnetische Schenkel“, werden von einem Eisenring, auf welchem sich eine eng gewundene Kupferleitung (Spirale) befindet, mit großer Geschwindigkeit (80 bis 100 Umdrehungen in der Minute) umkreist. Die dadurch in den Kupferdrähten, fachgemäß „Anker“ genannt, erzeugte Elektricität wird mittels sinnreicher Vorrichtungen, sogenannter „Bürsten“, aufgefangen und durch Kabel weiter geleitet. Gleich dem Wasser, das von einem Sammelpunkte aus in Röhren nach allen Seiten vertheilt wird, strömt die Elektricität von der Centralstation durch weitverzweigte Kabelnetze nach den Orten ihrer Bestimmung; da der elektrische Strom aber stets einen Kreislauf beschreibt, so kehrt er nach verrichteter Arbeit in geschwächtem Zustand durch eine zweite Leitung an den Ausgangspunkt zurück.

Herstellung der Dynamomaschinen.

Ein sehr wichtiger Theil der Anlage ist der Schaltapparat mit dem Schaltbrett, denn von hier aus läßt sich die Regelung des Stromes bewerkstelligen und nach Wunsch und Bedürfniß eine einzelne Leitung ein- oder ausschalten; die angebrachten Meß-Apparate ermöglichen dabei eine genaue Feststellung der Spannungshöhe in den Haupttheilen der Leitung, während andere sinnreiche Vorrichtungen die Isolation prüfen und den Betrieb nach allen Seiten hin kontrollieren. Sollte der kaum denkbare Fall eintreten, daß alle diese Vorrichtungen und Apparate versagten, so würde durch ein selbstthätiges Zerschmelzen einer Bleiverbindung die Leitung augenblicklich unterbrochen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_365.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)