Verschiedene: Die Gartenlaube (1887) | |
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Oder –“ und lächelnd wandte sie sich an Karli, „wie is denn mit Dir? Wär’s Dir arg z’wider, wann mich zum Wirthshaus hinführen müßtest?“
„Z’wider?“ brummte Karli. „Wann ’s sein müßt’ – was lieget denn dran?“
„Geh’ weiter! Jetzt Du bist amal a Leimlackl, a langweiliger!“ zürnte der Pointner und suchte Kuni mit den Worten zu trösten: „Mach’ Dir nix draus, Madl! Wann’s Dir recht is, bin ich selber Dein Führer!“
„Du, an Dei’m Vater kannst Dir a Muster nehmen,“ lachte Kuni. „Der hat fein schon a liebers Reden als wie Du! Und so freundlich aufg’wart’t hat er mir! Ja, und ganz erbarmt hat er sich über mich, so daß er mir völlig den Antrag g’macht hat, ich sollt’ dableiben im Pointnerhof. Aber natürlich, ich hab’ Na g’sagt, weil ich mir doch gleich ’denkt hab’, er macht sich bloß an freundlichen G’spaß mit mir. Oder – han, Bauer, is ’s am End’ net a so? Gelt? Hast Dich lustig g’macht über mich?“
„Was? Lustig g’macht.“ stotterte der Pointner, wobei er einen unsicheren Blick auf Karli warf, als wäre ihm jetzt die Sache doch nicht ganz geheuer. „Nix da! Mein Ernst is g’wesen! Mein völliger Ernst. Aber – freilich – Du hast ja schon g’sagt –“
„Ja – wenn’s dengerst Dein Ernst wär’ –“ warf Kuni zögernden Wortes ein und lächelte den Bauer mit blitzenden Augen an.
„Aber g’wiß! Mein Ernst! Aber g’wiß!“ stammelte der Pointner. „Ich werd’ doch in der einen Stund’ net babb sagen und in der andern bibb? Gelt, Karli, gelt, das giebt’s fein net bei mir!“ Dabei faßte er den Sohn an der Weste und redete mit sprudelnden Worten auf ihn ein: „Ah na! Ah na! Gelt, das wär’ schon Dir net recht, wann Dei’m Vatern sein Wort nix mehr gelten thät’! Ja – weißt – und da is jetzt nachher das Deandl ’kommen – das Deandl da – ja – Kuni – Kuni Rauchenberger heißt’s – weißt – und weil ’s Madl jetzt g’rad kein’ Dienst hat, da hab’ ich mir ’denkt – weißt – und weil so wie so an Micheli unser Kathl aussteht, wo bis jetzt Alles in der Kuchl b’sorgt hat – natürlich, das Gausl, das fürwitzig’, muß heirathen – ja, und drum hab’ ich mir ’denkt, die Kuni könnt’ gleich bei uns bleiben, zum Kochen, weißt, und so quasi als Hauserin. Ja, das scheint mir a ganz guter Gedanken – meinst net auch?“
Der Pointner ließ Karli’s Weste fahren und schaute mit einem erwartungsvollen Blick seiner zwinkernden Aeuglein zu dem nicht besonders freundlichen Gesichte des Burschen auf, wobei er zögernd wiederholte: „Meinst net auch?
Karli schwieg, zuckte die Achseln und nickte bedächtig vor sich hin. Das war nun ein Ja und ein Nein, ganz wie es der Pointner nehmen wollte. Vielleicht nahm er es als ein Nein; denn er schnitt eine verdrießliche Miene, und es schienen ihm bereits ärgerliche Worte auf der Zunge zu liegen, als Kuni mit einer Stimme von ganz unerwartet bescheidenem und schüchternem Klang das Schweigen brach.
„Wenn’s Dir fein net recht is, Karli, daß ich dableib’ – vor mir brauchst Dich mit’m Reden g’wiß net z’scheuen. Ich find’ überall mein Platzl; denn das möcht’ ich beileib’ net, daß ich aufs Wort vom Bauern hin auf an Antrag eingeh’, der dem g’wachsenen Haussohn kein’ b’sondere Freud’ net z’machen scheint. Freilich – Du kannst ja net wissen, wie ich mich in der Arbeit anstell’, und wie ich –“
„Aber – was redst denn jetzt da daher! Mir is ja im Traum net eing’fallen, daß ich ’was dagegen zum sagen hätt’,“ wurde sie von dem Burschen mit stockenden Worten unterbrochen. „Ich hätt’ ja kein’ Grund net dazu, daß ich Dich beleidigen thät’. Ah na – der Vater wird schon wissen, was er thut – und –“
„No also, nachher bleib’ ich auch gern, weil ich weiß, daß es Dir g’rad so recht is wie Dei’m Vater,“ fiel Kuni ein. „Und arbeiten will ich g’wiß, was ich kann, und auf Euer Sach’ will ich schauen, wie ich’s versteh! Und da denk’ ich, daß wir mit der Zeit dengerst noch gute Freund’ zu einander werden – Du und ich.“ Dabei streckte sie ihm freundlich die Hand entgegen.
Karli schlug ein und sagte unter verlegenem Lächeln: „No, ja – mußt halt richtig auf’n Vater schauen, und daß er sein Sach’ und sein besseres Essen in der Ordnung kriegt; nachher, mein’ ich, werden wir schon auskommen mit einander.“
„No also! No freilich!“ jubelte der Pointner und rieb sich in hellem Vergnügen die Hände. „Han, Madl, was sagst? Gelt, das is a Bua? Ja – mein Karli – der schlagt mir nach! Das is einer! Der hat a G’müth! Der sorgt sich für sein’ Vater! Aber komm, Madl – komm’ – jetzt komm’ nur gleich mit ’rein ins Haus! Jetzt weis’ ich Dir gleich Dein Stüberl an, und morgen in aller Fruh muß der Martl nach Reichenhall ’neinfahren und Dein’ Kufer holen!“ Dabei faßte er das Mädchen mit beiden Händen am Arme und zog es mit sich fort.
Götz, der noch immer unter der Thür stand, trat bei Seite, um die Beiden einzulassen.
„Geh, schau, da is ja gleich wieder einer vom Haus,“ lächelte Kuni, während sie vor Götz die Schritte verhielt und ihren Arm aus des Pointner’s Händen löste. „Du bist der Götz, gelt? Ja – und wie ich schon g’merkt hab’, wirst Du mein Fürg’setzter beim Schaffen sein. Mußt halt a Bißl Geduld haben mit mir. No also – auf gute Ehhaltenfreundschaft!“
Zögernd legte Götz seine rauhe, sonnverbrannte Hand in die weiße, weiche Hand der Dirne. „Ich mein’, wir zwei werden net gar z’oft mit einander im G’schirr sein,“ sagte er leichthin. „Dein’ Hand schaut sich net an, als wie wenn s’ b’sonders flink nach der Bauernarbeit greifen möcht’.“
„Das is auch gar net nöthig,“ eiferte der Pointner; „die Kuni is da zum Kochen und zu der Nahterei – ja – und zu meiner Pfleg’! Das hättst ja hören können; das hat sich mein Karli gleich zur Bedingung g’macht! Aber komm’, Madl – komm’!“ Wieder zog er die Dirne an den Händen hinter sich her und verschwand mit ihr in der Stube.
Karli näherte sich langsam der Schwelle, zog die Brauen hoch und schaute den Knecht mit einem Blicke an, der zu fragen schien: „Was sagst jetzt da dazu?“
Götz nickte unter einem eigenartigen Lächeln mit dem Kopfe; dann zuckte er die Schultern und sagte: „No – ’s Madl is sauber, da is nix zum reden – und – sie kann Ei’m auch g’fallen, so zum Aufputz in d’ Stuben. Aber – mir schwant, das is kein’ Tauben, die an Fried’ ins Haus bringt. Hast es net g’sehen – die g’wissen Falterln ums Göschl ’rum? Ich bild’ mir ein, die könnten ’was erzählen. Und nachher – in ihre Augen hat s’ Dir so a ganz an eigens G’spiel –“
„Aber jetzt geh’ weiter! Was Du net Alles siehst! So gar g’fährlich wird’s ja doch net sein!“ meinte Karli. „Und schau – über ihre Augen sollst ja gleich gar nix sagen! G’wiß wahr, wie Ihr g’rad so vor einander g’standen seid, da hat’s mich völlig erstaunt, wie sich Dein G’schau mit dem ihrigen gleicht. Ja – an Augenblick is mir’s ordentlich g’wesen, daß ich mich hab’ fragen müssen: hast jetzt Du ihre Augen oder hat sie die Deinen im Kopf.“
„Was net sagst!“ lächelte Götz. „Aber ein Unterschied, mein’ ich, wär’ dengerst dabei: meine Augen schauen nach der Arbeit aus; nach was aber dem Deandl seine Augen ausschauen, das weiß ich net – und – wenn ich mir’s denken könnt’, ’leicht möcht’ ich’s nachher net sagen.“ Damit nickte er dem Burschen einen Gruß zu und schritt, einen prüfenden Blick auf den finsteren Himmel werfend, über den Hofraum hinweg den Oekonomiegebäuden zu.
Eine Weile stand Karli in Gedanken versunken. Dann näherte er sich vollends der Thür, machte aber kurz vor der Schwelle wieder Kehrt und schlug den Weg ein, welchen Götz genommen. Er trat unter die offene Stallthür und schaute schweigend den Knechten bei der Wartung der Pferde zu.
Da hörte er vom Brunnen her eine erregte Mädchenstimme: „Du, Kathl, hast es schon g’hört? Die bleibt fein da im Hof!“
„Aber, Zenz! Wirst doch net denken, daß ich mich da drüber verwundern soll!“ gab eine andere, dünn und spitzig klingende Stimme zur Antwort. „Das hab’ ich mir ja gleich ’denkt, wie ich sie g’sehen hab’. Da müßt’ ich unsern Bauer net kennen –“
Die Dirne verstummte und starrte erschrocken und verlegen in das zorngeröthete Gesicht des jungen Pointner’s, den sie so unerwartet vor sich stehen sah.
„Ich sag’ Dir’s, Kathl,“ fuhr Karli die Magd mit bebender Stimme an; „noch an einzigs solches Wörtl – und Du brauchst Micheli nimmer abz’warten! Da kannst lieber heut’ als morgen Dein’ Kufer packen.“
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 583. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_583.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)